Nigeria:Afrikas Riese gerät ins Schlingern

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Der Tod von Nigerias Präsident Umaru Yar' Adua gefährdet die Balance im bevölkerungsreichsten Land des Kontinents.

Arne Perras

Es war ein langer Kampf ums Überleben, doch nun hat die Krankheit gesiegt: Nigerias Präsident Umaru Yar' Adua ist in der Nacht zum Donnerstag gestorben. Er war 58 Jahre alt. Schon als er die gefälschten Wahlen 2007 gewann, wusste man um seine schwache Gesundheit, die Rede war von einem schweren Nierenleiden. Später kamen akute Herzprobleme dazu.

Goodluck Jonathan führte seit Februar die Amtsgeschäfte in Nigeria. (Foto: Foto: AFP)

Yar' Aduas Tod wurde von den meisten Nigerianern erwartet. Drei Monate lang war er in Saudi-Arabien in Behandlung gewesen, bevor er Anfang des Jahres nach Nigeria zurückkehrte. Die teils groteske Art, wie der Staat seinen Präsidenten vor dem Volk versteckte, war für viele Indiz genug, wie schlecht es ihm gehen musste.

Der Staat schlingerte indes monatelang dahin, beherrscht von der Unsicherheit, wie es denn nun weitergeht in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Staat des Kontinents und einem der wichtigsten Öllieferanten. Insofern hat Yar' Aduas Tod nun doch etwas Befreiendes für den Vielvölkerstaat mit seinen 150 Millionen Menschen.

Das Rennen ist offen

Zwar üben sich die Politiker nun erst einmal im Pathos, um den Toten zu ehren. "Nigeria hat das Juwel in seiner Krone verloren", erklärte Goodluck Jonathan, Nigerias Vize, der seit Februar die Amtsgeschäfte führte und noch am Donnerstag als neuer Staatschef vereidigt wurde. Doch die salbungsvollen Worte dürften bald vergessen sein. Jetzt wird gefragt, wer bei den nächsten geplanten Wahlen 2011 als Kandidat der Regierungspartei People's Democratic Party (PDP) ins Rennen geht. Wird es ein Mann des Nordens sein, wie viele erwarten? Oder doch einer aus dem Süden, etwa Goodluck Jonathan? Das Rennen gilt als offen.

"Die Kluft zwischen Nord und Süd ist mindestens so alt wie der Staat Nigeria", sagt Klaus Paehler, der das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Abuja leitet. Es geht dabei weniger um rein religiöse Spannungen zwischen Muslimen im Norden und Christen im Süden. Vielmehr steht eine fragile Balance der Macht auf dem Spiel, bei der es auch um die Verteilung der Reichtümer des Landes geht. Das komplizierte Gleichgewicht wird in erster Linie von den oberen Zirkeln der Regierungspartei PDP ausgehandelt.

Wichtige Seilschaften

Nigeria hat zwar, formal betrachtet, ein Mehrparteiensystem. De facto ist aber die PDP die beherrschende Kraft. Nigeria gleicht in diesem Sinne noch immer einem Einparteienstaat, in dem wirtschaftliche und politische Interessen sehr eng miteinander verwoben sind. Dieser Filz bremst den Aufbau eines Rechtsstaates und sorgt dafür, dass Seilschaften weit mehr Gewicht haben als die noch ungefestigten Institutionen.

In den Reihen der PDP wird also die Zukunft des Landes quasi ausgehandelt. Das ist ein Geben und Nehmen von Posten, Privilegien und Geschäftsmöglichkeiten. Und immer geht es dabei um die Frage, ob sich die Kräfte des Nordens mit denen des Südens auf einen Deal einigen, der beide Seiten zufriedenstellt. Bislang gab es ein ungeschriebenes Gesetz, das genau diesen, durch viele Spannungen gefährdeten Zusammenhalt zwischen Nord und Süd sichern sollte. Acht Jahre lang war Präsident Olusegun Obasanjo an der Macht gewesen, ein General aus dem Süden.

Als er von Umaru Yar'Adua nach zwei Regierungsperioden abgelöst wurde, stand dahinter auch die stille Vereinbarung, dass nun die Machtzirkel des muslimischen Nordens für die nächsten acht Jahre die Staatsspitze stellen sollten. Mal der Norden, mal der Süden. Ein berechenbarer Wechsel. Doch Yar' Adua hat seine Regierungszeit nicht durchgestanden, so dass, gemäß der Verfassung, sein Vize ins höchste Amt aufrückt: Goodluck Jonathan. Und der ist ein Politiker aus dem Süden.

Kampf gegen Korruption

Mit seinem kometenhaften Aufstieg hatten wenige gerechnet, nun hat er ein Jahr Zeit zu zeigen, was er bewegen kann. Den Kampf gegen die Korruption will er in den Mittelpunkt rücken, doch das hatte auch Yar' Adua versprochen, ohne großen Erfolg. Allerdings war zu beobachten, wie souverän und geschickt Jonathan die Geschäfte führte, als er in den vergangenen Wochen für den erkrankten Yar'Adua eingesprungen war.

Ihm werden Ambitionen auf Höheres nachgesagt. Zwar hat die Partei PDP schon deutlich gemacht, dass sie als Kandidaten für 2011 einen Mann aus dem Norden will. Dort setzt man darauf, dass man noch mindestens fünf Jahre weiter regieren darf, bevor wieder ein Mann des Südens dran wäre. "Andererseits ist nichts in Nigeria so fest gefügt, dass es nicht nochmal kippen könnte", sagt Analyst Paehler. Vorherrschend ist seiner Ansicht nach der Wille, eine zivile Regierung fortzuführen und nicht wieder in eine Militärdiktatur zurückzufallen, weil das die Karriere und die Posten vieler amtierender Politiker in Gefahr bringen würde.

Wenn Jonathan noch eine Chance auf die Kandidatur 2011 haben will, muss er nun glänzen. Doch zunächst werden alle darauf achten, wen er als seinen Vize beruft. Im Sinne der Balance wäre dies ein Mann aus dem Norden. Viele werden in ihm den Favoriten für die Präsidentenwahl sehen - und Jonathans Rivalen.

© SZ vom 7.5.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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