Niger:Militär stellt sich auf die Seite der Putschisten

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In Niger, hier eine Aufnahme aus der Stadt Niamey, ist der Präsident von Putschisten abgesetzt worden. (Foto: -/AFP)

Die Streitkräfte warnen in einer Erklärung außerdem vor jeglicher militärischer Intervention aus dem Ausland.

Das Militär in Niger erklärte, die Forderung der Putschisten nach einem Ende der Amtszeit von Bazoum zu unterstützen. Dies teilten die Streitkräfte auf Facebook und Twitter mit. Der Schritt solle die "körperliche Unversehrtheit des Präsidenten und seiner Familie" gewährleisten sowie eine "tödliche Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Sicherheitskräften" vermeiden. Das Militär warnte in der Erklärung vor jeglicher militärischer Intervention aus dem Ausland. Diese könnte verheerende Folgen für das Land haben. Unbestätigten Berichten zufolge könnte nun der Chef der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, die Führung eines Militärrats übernehmen.

Nach dem Putsch im westafrikanischen Staat Niger hat Präsident Mohamed Bazoum zum Erhalt der demokratischen Errungenschaften des Landes aufgerufen. "Alle Nigrer, die Demokratie und Freiheit lieben, werden dafür sorgen", schrieb Bazoum auf Twitter.

Außenminister Hassoumi Massoudou rief die putschenden Militärangehörigen auf, Bazoum freizulassen und ihre Forderungen im Dialog zu klären. Dem französischen Nachrichtensender France 24 sagte der Minister: "Wir sind die legalen und legitimierten Autoritäten in Niger." Er habe mit Bazoum gesprochen, es gehe ihm gut.

Bei dem Putsch war der demokratisch gewählte Bazoum am Mittwoch im Präsidentenpalast in der Hauptstadt Niamey von mehreren Offizieren festgesetzt worden. Am späten Abend erklärten die Putschisten im nationalen Rundfunk RTN die Machtübernahme. Alle Institutionen der Republik seien ausgesetzt und die Landesgrenzen "bis zur Stabilisierung der Situation" geschlossen, verkündete Oberst Amadou Abdramane. Zudem gelte eine nächtliche Ausgangssperre.

dpatopbilder - HANDOUT - 26.07.2023, Niger, Niamey: In diesem Bild aus einem von ORTN zur Verfügung gestellten Video gibt Oberstmajor Amadou Abdramane (vorne, M) am späten Mittwoch eine Erklärung ab, während eine Delegation von Militäroffizieren im nigrischen Staatsfernsehen erscheint, um eine Reihe von Kommuniqués zu verlesen, in denen sie ihren Staatsstreich ankündigen. Im westafrikanischen Land Niger haben Soldaten im Fernsehen die Machtübernahme der Armee verkündet. Die Institutionen der siebten Republik seien aufgelöst, die Luft- und Landesgrenzen geschlossen und es herrsche eine landesweite Ausgangssperre von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr (Ortszeit), sagte Oberst Amadaou Abdramane am späten Mittwochabend im nationalen Fernsehsender RTN. Foto: Uncredited/ORTN/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (Foto: Uncredited/dpa)

Grund für den Putsch sei die kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitslage sowie die schlechte Regierungsführung, erklärten die Offiziere. Unklar war zunächst, ob die zehn Soldaten im Fernsehen für die gesamten Streitkräfte sprachen. Dafür gibt es mit der Erklärung vom Donnerstag jetzt ein Indiz.

Regierungsfreundliche Demonstranten waren kurz nach dem Putsch am Mittwoch vor den Präsidentenpalast, um für Bazoum und die Wahrung der Demokratie zu protestieren. Berichten zufolge wurden Schüsse abgefeuert.

Menschen protestierten am Mittwoch vor dem Präsidentenpalast gegen Bazoums Festsetzung. (Foto: -/AFP)

Offen ist, wer in dem Land mit etwa 26 Millionen Einwohnern tatsächlich die Macht hat. International wurden die Vorgänge noch vor der Fernsehansprache scharf verurteilt. Die Vereinten Nationen, die EU, die USA und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas forderten die Freilassung Bazoums und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung.

Nach Angaben von EU-Diplomaten sprachen sowohl der Außenbeauftragte Josep Borrell als auch Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch zweimal mit Bazoum. Er war demnach bis zuletzt mit seiner Familie in seiner Residenz. UN-Generalsekretär António Guterres drückte Bazoum seine volle Unterstützung und Solidarität aus, wie ein UN-Sprecher auf Twitter mitteilte.

Auch das Auswärtige Amt forderte die Freilassung des Präsidenten. "Wir verfolgen die Ereignisse in Niger mit sehr großer Sorge", teilte ein Sprecher mit. "Wir verurteilen den Versuch von Teilen des Militärs, die verfassungsmäßige demokratische Ordnung Nigers umzustoßen, und fordern diese auf, den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum unverzüglich freizulassen und in ihre Unterkünfte zurückzukehren." Der Sprecher rief deutsche Staatsangehörige auf, die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts zu befolgen und sich insbesondere in die Krisenvorsorgeliste des Ministeriums einzutragen.

Ein wichtiger EU-Verbündeter schwankt

Sollte sich der Militärputsch in Niger als erfolgreich erweisen, wäre das ein schwerer Rückschlag für die Bemühungen europäischer Staaten in der Region. Das Land ist ein wichtiger Verbündeter der EU beim Vorgehen gegen die irreguläre Migration aus den Ländern südlich der Sahara.

Außerdem spielt Niger eine wichtige Rolle im Kampf gegen islamistische Extremisten in der Sahelzone. In den Nachbarländern Mali und Burkina Faso gerieten die Beziehungen zum Westen nach Militärputschen in tiefe Krisen. Damit wuchs die Bedeutung Nigers als Basis für militärische Einsätze gegen die Extremisten.

Vor zwei Jahren wurde ein Putschversuch in Niger vereitelt, als Teile des Militärs wenige Tage vor der Vereidigung Bazoums versuchten, den Präsidentenpalast zu stürmen. Seine Wahl war der erste demokratische Machtwechsel in dem bitterarmen Land, in dem das Militär seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 viermal geputscht hatte.

Erst Ende vergangenen Jahres hatte die EU eine Militärmission in Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen. Die Bundeswehr unterhält in Niamey einen Lufttransportstützpunkt für das militärische Engagement in Westafrika, auf dem etwa 100 deutsche Soldaten stationiert sind. Auf dieses Gelände wurden nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch deutsche Botschaftsmitarbeiter aus der Hauptstadt in Sicherheit gebracht. Wegen der von den Putschisten angeordneten Sperrung des Luftraums landen zunächst keine Flüge auf dem Stützpunkt.

© SZ/rtr/epd/dpa/slm/infu/saul - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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