Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in ihrer Neujahrsansprache ungewöhnlich deutlich von den Pegida-Demonstrationen distanziert. "Heute rufen manche montags wieder ,Wir sind das Volk'", sagte Merkel, "aber tatsächlich meinen sie: Ihr gehört nicht dazu - wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion."
Die Kundgebungen der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) finden immer montags statt. Die CDU-Chefin empfahl allen, die auf solche Demonstrationen gehen: "Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen - denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja sogar Hass in deren Herzen."
Viele Flüchtlinge "buchstäblich dem Tod entronnen"
Merkel verwies auf die Not der Flüchtlinge in der Welt. Viele von ihnen seien "buchstäblich dem Tod entronnen". Es sei selbstverständlich, dass Deutschland ihnen helfe und Menschen aufnehme, die hier Zuflucht suchen.
Die Bundeskanzlerin sagte, kürzlich habe ihr jemand von einem Kurden erzählt, der heute Deutscher sei. Dieser sei unter Lebensgefahr aus dem Irak geflohen. Er habe gesagt, das Wichtigste sei für ihn in Deutschland, dass seine Kinder hier ohne Furcht groß werden könnten. "Das ist vielleicht das größte Kompliment, das man einem Land machen kann: dass die Kinder Verfolgter hier ohne Furcht groß werden können", sagte Merkel.
Dies sei auch ein Motiv der vielen Menschen gewesen, die vor 25 Jahren in der DDR jeden Montag zu Protesten auf die Straße gingen.
Der Zusammenhalt in Deutschland sei Grundlage seines Erfolges.
In ihrer Ansprache nannte Merkel die Zuwanderung einen "Gewinn für uns alle". Sie sei - neben der digitalen Revolution, der demografischen Entwicklung, dem Klimaschutz und dem Welthandel - eine der "großen Herausforderungen" für die Bundesrepublik.
Kanzlerin: Ukraine-Krise stellt Basis der Friedensordnung in Frage
Zweiter Schwerpunkt der vorab aufgezeichneten Neujahrsansprache ist die Ukraine-Krise und das Verhältnis zu Russland. Die Kanzlerin sagte, 2014 sei das Jahr, "in dem wir in Europa in lange nicht gekannter Härte erfahren haben, was es bedeutet, wenn Grundlagen unserer europäischen Friedensordnung in Frage gestellt werden - also die freie Selbstbestimmung der Völker". Genau das mute Russland der Ukraine zu.
Es stehe "völlig außer Frage", dass Deutschland Sicherheit in Europa gemeinsam mit und nicht gegen Russland wolle. Aber ebenso stehe völlig außer Frage, dass Europa "ein angebliches Recht eines Stärkeren, der das Völkerrecht missachtet, nicht akzeptieren kann und nicht akzeptieren wird".
Deshalb sei 2014 auch das Jahr gewesen, in dem Europa genau diese Herausforderung verstanden und gemeinsam mit seinen transatlantischen Partnern angenommen habe. Europa habe "sich entschlossen, sich nicht spalten zu lassen, sondern stärker denn je als Einheit zu handeln, um seine Friedensordnung und seine Werte zu verteidigen".
Diese Einheit Europas sei kein Selbstzweck, sagte Merkel. Sie sei aber "der Schlüssel, um die Krise in der Ukraine zu überwinden und die Stärke des Rechts durchzusetzen".