Neue TV-Show:Assange bietet Hisbollah-Chef Nasrallah eine Bühne

Lesezeit: 1 min

Jetzt hat auch Wikileaks-Gründer Julian Assange seine eigene Talkshow - bei einem russischen TV-Sender. Zum Auftakt interviewt er Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Doch anstatt ihn ordentlich in die Mangel zu nehmen, fragt Assange lediglich Altbekanntes.

Julian Hans

Seht her: zwei Freiheitskämpfer - und Russia Today gibt ihnen eine Stimme! Das ungefähr war die plakative Botschaft in der ersten Ausgabe der lange angekündigten Talkshow The World of Tomorrow von Julian Assange im russischen Fernsehen. Der selbst ernannte Informationsfreiheitskämpfer unter Vergewaltigungsverdacht interviewte Hassan Nasrallah, den Chef der radikalen Hisbollah-Miliz im Libanon.

Es hätte ein Scoop werden können - Hassan Nasrallah, Chef der radikalen Hissbollah-Miliz im Libanon gab sein erstes Interview seit Jahren. (Foto: AFP)

Das hätte ein kleiner Scoop sein können, denn Nasrallah, der von einem geheimen Ort zugeschaltet war, hat seit Jahren kein Interview gegeben. Doch Assange nutzte die halbe Stunde Sendezeit, um Altbekanntes abzufragen. So bliebt das Interview, was es offenbar ohnehin sein sollte: ein Statement gegen die angebliche Informationsübermacht des Westens.

Israel sei ein illegaler Staat, der Massaker an den Palästinensern verübe, sagte Nasrallah. Die USA versuchten, Syrien in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Die Opposition sei nicht bereit zum Dialog mit Präsident Baschar al-Assad. Assad dagegen habe dem Befreiungskampf der Palästinenser sehr gedient. Eine Anekdote entlockte der Kryptographie-Experte Assange dem Hisbollah-Führer noch: Seine Kämpfer sprächen über Funk einen lokalen Dialekt, sagte Nasrallah, den könnte bei den Israelis kein Computer entschlüsseln. Assange zeigte sich amüsiert.

Der 2005 vom Kreml gegründete Satelitenkanal gibt sich alle Mühe, als Alternative zum angeblichen "Mainstream" von CNN und BBC wahrgenommen zu werden. Der Wikileaks-Gründer ist dafür der perfekte Partner, sieht er sich doch ebenso wie Nasrallah von Amerika verfolgt (und er braucht Geld, um seine Anwälte zu bezahlen). Die USA betrachten die Hisbollah als terroristische Organisation.

Das Interview kann auch als Retourkutsche gelten: 2005 hatte der US-Sender ABC ein Interview mit dem Tschetschenischen Rebellenführer Schamil Bassajew ausgestrahlt. Daraufhin hatte Russland den Journalisten die Visa entzogen und sie außer Landes verwiesen. Zur Begründung hatte das russische Außenministerium damals erklärt, das Gespräch mit dem zu jener Zeit meistgesuchten Mann Russlands sei ein klarer Fall von Beihilfe zum Terrorismus.

© SZ vom 18.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: