Neue Partei "Alternative für Deutschland":Wider die Lockrufe der Neo-Nationalisten

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Gründung des AfD-Landesverbandes in Berlin. (Foto: dpa)

Was hält ein Konservativer vom Hype um die Alternative für Deutschland? Nicht viel: Die neue D-Mark-Partei AfD spricht wutbürgerliche Protestwähler an, mobilisiert dabei nationale Ressentiments und könnte Europa schwer beschädigen. Das kann keine echte Alternative sein.

Ein Gastbeitrag von Wolfram Weimer

Für die einen sind sie wie die Piraten - nur mit Programm. Die anderen wittern eine reaktionäre Eurohassertruppe. Dritte witzeln über "D-Mark-Rentner" und "Protest-Professoren". Die neue Partei der Eurokritiker "Alternative für Deutschland" (AfD) könnte die politische Landkarte der Bundesrepublik verändern. Denn erstmals entsteht im bürgerlichen Lager (und nicht im linken Spektrum) eine neue Bewegung - und macht den Bundestagswahlkampf wieder spannend.

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Die AfD-Faszination liegt für viele Konservative darin, dass die vermeintlich "alternativlose" Euro-Politik endlich mit ernsthaften Ausstiegs-Alternativen debattiert wird. In breiten bürgerlichen Kreisen wächst ein tiefes Unwohlsein gegenüber der Rettungspolitik, der Verschuldungsdynamik und der Politisierung der Notenbank.

Dass die etablierte Politik den Euro-Status tabuisiert, sorgt dafür, dass die AfD wie ein Ventil wirkt für die angestauten Proteste und Ängste vor dem Schuldensozialismus. Und so sammeln sie auch all jene mit ein, die sich ganz generell über die Sozialdemokratisierung der CDU ärgern oder die repressive Dominanz der politischen Korrektheit brechen wollen.

Reigen von Ressentiments

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Was die unbekümmerten Sympathisanten der Partei-Professoren übersehen, das ist die Büchse der Pandora, die mit ihrem Erfolg geöffnet würde. Denn die AfD mobilisiert - ob sie es bewußt will oder nur billigend in Kauf nimmt - neo-nationalistische Affekte in breiter Variation. Zwar stehen die AfD-Führungskräfte nicht im Ruch des Rechtsextremismus und mühen sich redlich, jede braune Umarmung abzuwehren. Doch auch so wird durch die politische Agitation gegen den Euro ein Reigen von Ressentiments eröffnet, der nichts Gutes verheißt.

Uralte nationalistische Reflexe werden plötzlich wieder wach, man zieht über Europa und Nachbarn und Institutionen her, man weckt Arroganzinstinkte und Minderwertigkeitskomplexe, Missgunst und einen politischen Egoismus, der tief aus dem 19. Jahrhundert kommt, im 20. Jahrhundert die großen Katastrophen befördert hat und im 21. Jahrhundert besser überwunden als wiederbelebt gehört.

Wenn der offene Neo-Nationalismus aber einzieht in die bürgerlichen Salons, dann verspielt Deutschland auch einen Teil seiner moralischen Integrität, die eine ganze Generation der Nachkriegszeit mühsam wieder aufgebaut hat. Die negative Wirkung der AfD liegt dabei vor allem in ihrem mittelbaren Effekt. Denn so sehr die Professoren ihre Weltoffenheit und Europafreundlichkeit betonen, so sehr lösen sie doch im breiteren Publikum die alten Ressentiments aus.

Jeder Prozentpunkt macht die Wiederwahl Merkels schwächer

Wenn diese Bewegung weiter wächst, dann würde das nicht nur im europäischen Ausland Gegenreaktionen provozieren und den Neo-Nationalismus auch andernorts weiter befeuern. Auch im Inland würden die politischen Ränder der Republik gestärkt, die Mitte aber bliebe geschwächt. So würde mit jedem Prozentpunkt Wählerzustimmung die soeben noch sicher gewähnte Wiederwahl Merkels unwahrscheinlicher, die Verlässlichkeit Deutschlands geschwächt.

Die Bewegung schadet aber auch in einem strategischen Sinne dem deutschen Interesse, obwohl sie genau das zu schützen vorgibt. Denn derzeit fährt Deutschland mit dem Merkel-Management dieser Krise außerordentlich gut. Man stelle sich hingegen einmal vor, die Absicht der AfD würde auch nur in Ansätzen Realität, den Euro zu zerschlagen.

Deutschland begäbe sich fortan auf einen Kurs der internationalen Desintegration. Der darauf folgende Börsenkrach, die Aufwertung der neuen Währung (ob nun Neu-Mark oder Nord-Euro) und die Einbrüche unserer Exporte wären noch das kleinste Problem. Denn es würden schlagartig die jahrzehntelang mühsam errungene Zusammenarbeit in Europa zertrümmert.

Das mit dem Nobelpreis soeben ausgezeichnete Friedensprojekt wäre am Ende. Ein politischer wie wirtschaftlicher Zerfallsprozess würde eingeleitet, der Binnenmarkt zerbräche infolge einer Kettenreaktion der innereuropäischen Verteilungskämpfe, der Protektionismus kehrte zurück und träfe unsere Exportwirtschaft hart. Es käme ein Interessen-Wettlauf des Rette-sich-wer-kann in Gang.

Und selbst wenn das alles friedlich zustande käme, so stünde am Ende die historische Selbstverschweizerung Europas. In einer Welt, in der sich XXL-Supermächte neu formieren, in der sich Amerika von uns abwendet, in der Asien, Arabien und Rußland dynamisch bis aggressiv die Konkurrenz zu uns suchen, schösse sich Europa ins Knie und würde ein globaler Schwächling.

Großbritannien könnte nurmehr versuchen sich als Riesen-Singapur durchzuschlagen, Frankreich würde vollends argentinisieren und Deutschland zum politischen Mittelständler verzwergen.

Der Euro als wichtigste Klammer

Unser Euro-Europa mag umständlich und demokratiedefizitär sein. Und doch ist es das beste, was wir auf unserem kriegsgeschundenen Kontinent seit Jahrhunderten organisiert haben. Eine Schuldenkrise der Staaten, wie wir sie jetzt erleben, hätte in früheren Zeiten zwangsläufig zu Krieg geführt. Heute wird die destruktive Energie im EU-System zivilisiert. Der Euro ist dessen wichtigste Klammer.

Kaum ein anderer Staat profitiert von dieser Friedensordnung mehr als das Zentralstück dieses wirren Europas, als eben Deutschland. Darum liegt es im bürgerlichen und nationalen Interesse, den Lockrufen der Neo-Nationalisten nicht zu folgen. Denn gerade für Wertkonservative ist das europäische Haus der Ort unserer kulturellen, geistigen und christlichen Herkunft. Ohne die Achtung dieser gemeinsamen Herkunft gibt es keine gute Zukunft.

Wolfram Weimer (Foto: oH)

Wolfram Weimer gehört zu den profiliertesten konservativen Publizisten und Verlegern. Er ist Gründungsherausgeber des Magazins Cicero und war Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt sowie des Nachrichtenmagazins Focus . In seinem Verlag erscheinen der Wirtschaftskurier und die Börse am Sonntag .

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