Nato-Luftangriff in Afghanistan:Munition für den Wahlkampf

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Der Luftangriff von Kundus mit Dutzenden Toten wird die Debatte um den Afghanistan-Einsatz neu anfachen. Der Linken und Oskar Lafontaine kommt das gerade recht. Die Einsatzbefürworter hingegen kommen in Erklärungsnot.

Daniel Brössler

Sowohl Angela Merkel als auch Frank-Walter Steinmeier waren in jüngster Zeit zu Besuch in Afghanistan. Kurz nur, aber doch jeweils lang genug, um Interesse am Schicksal der deutschen Soldaten sichtbar zu machen. Kanzlerin wie Außenminister haben diese Reisen wenige Monate vor der Bundestagswahl unternommen - und es wäre albern, einen Zusammenhang zu leugnen. Beide wussten um das Risiko, dass der kriegerische Konflikt am Hindukusch sich während des deutschen Wahlkampfes mit Gewalt in Erinnerung rufen könnte. Das ist nun geschehen.

Ein deutscher Kommandeur hat bei Kundus einen Luftangriff auf zwei von Taliban gekaperte Tanklastwagen ausgelöst, bei dem viele Menschen ums Leben gekommen sind. Die Bundeswehr sieht sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, unter den Toten seien auch Zivilisten. Dieser Vorwurf sowie alle Umstände des Angriffs müssen aufgeklärt werden. War der Angriff begründet, war er verhältnismäßig? Nato und Bundeswehr sind der Öffentlichkeit, der afghanischen wie der deutschen, Antworten auf diese Fragen schuldig. Vermutlich aber wird es dauern, bis Klarheit herrscht.

So lange kann, will und muss Linksparteichef Oskar Lafontaine mit seinem harschen Urteil nicht warten. Wer die Beteiligung der Bundeswehr an dem Einsatz in Afghanistan grundsätzlich ablehnt, für den ist jegliche gewaltsame Auseinandersetzung, in die Deutsche verwickelt sind, eine zu viel. Für Lafontaine ist der Vorfall folglich ein weiterer Beweis der Völkerrechtswidrigkeit des Nato-Einsatzes, dessen sofortiges Ende die Linke als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien fordert.

Man kann Lafontaine nun alles vorhalten, aber kein falsches Timing. Die Lage in Afghanistan ist ein zwingendes Wahlkampfthema. Wären so existentielle Fragen wie Deutschlands Beteiligung an einer kriegerischen Auseinandersetzung darin ausgeklammert, dann könnte man sich die Mühe eines Wahlkampfes auch gleich sparen. Allerdings haben es die anderen Parteien weit schwerer im Umgang mit dem Thema als die Linke. Sie können sich um eine genaue Analyse des folgenschweren Luftangriffs nicht drücken.

Die sich überschlagenden Ereignisse im Norden fachen von Neuem die Debatte an, ob die Bundeswehr die ihr gestellten Aufgaben überhaupt bewältigen kann. Die deutschen Soldaten haben den Auftrag, die Lage zu stabilisieren. Aber haben sie dazu auch die Mittel? Gefragt werden muss auch, ob der Ernst der Lage in Deutschland wirklich ausreichend wahrgenommen wird. Über den Streit, ob man schon von einem Krieg sprechen darf, müssen Bundeswehr-Soldaten am Einsatzort bitter lachen.

Unabhängig vom Ausgang der Untersuchungen nach dem tödlichen Angriff bei Kundus ist klar: Die Befürworter des Einsatzes sind aufgerufen, ihre Argumente vorzutragen. Auch und gerade im Wahlkampf.

© SZ vom 05.09.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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