Muriel Asseburg, Leiterin der Forschungsgruppe Nahost und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik, hat in einer Studie die Herausforderung des arabischen Frühlings für die europäische Politik untersucht.
SZ: Der Westen schaut auf die stockende Demokratiebewegung und will helfen. Wie?
Muriel Asseburg: Es geht vor allem um Angebote. Schlecht ankommen werden dagegen Vorgaben, wie sie die neue europäische Nachbarschaftspolitik vorsieht: Staaten, die in Brüssel als sehr reformfreudig gelten, sollen mehr Unterstützung bekommen, wer europäische Standards nicht erfüllt, weniger. Das empfinden die Menschen als Bevormundung.
SZ : Ägypten hat einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds abgelehnt. Ist Hilfe gar nicht gewollt?
Asseburg: Doch, aber nach eigenen Prioritäten. Ich kann die Skepsis verstehen. Die internationalen Finanzinstitutionen haben oft Reformen gefordert, die zu Lasten großer Bevölkerungsteile gingen.
SZ: Die Bundesregierung hat nun aber Fonds aufgelegt für Demokratieförderung und Bildung.
Asseburg: Das ist sinnvoll. Allerdings sollte die Unterstützung für Wirtschafts- und Sozialreformen im Vordergrund stehen. Die Staaten müssen ihre Systeme umbauen. Das wird teuer. Deutschland könnte nun etwa Ägypten anbieten, vorübergehend gewisse Sozialleistungen zu finanzieren, unter der Bedingung, dass ein überzeugender Reformplan vorliegt. Sinnvoll wäre auch eine vorübergehende Migration. Deutschland braucht Ingenieure und Ärzte. Viele junge Araber haben eine universitäre Bildung, aber wenig Arbeitspraxis. Die könnten sie hier bekommen, um dann besser qualifiziert in ihre Heimat zurückzukehren.
SZ: Hat Europa überhaupt Einfluss auf den Gang der Ereignisse?
Asseburg: In Tunesien und Ägypten war es wichtig, dass der Westen seine Unterstützung für die Autokraten entzog. Das hat zum Erfolg der Volksaufstände beigetragen und war mehr als Symbolpolitik. Heute sollte der Westen nicht erneut jene unterstützen, die auf Kosten von Demokratie Stabilisierung versprechen. Dazu gehört auch, autoritäre Herrscher nicht mit Waffen zur Aufstandsbekämpfung auszurüsten - seien es Panzer oder Kleinwaffen.