Gesetzgebung:Abergläubische Juristen

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Die bundesrechtliche Regelung über die Kriterien, die eine Pflegedienstleitung eines ambulanten Pflegedienstes erfüllen muss, sind im Elften Buch des Sozialgesetzbuches vorgeschrieben. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Das Sozialgesetzbuch mit der Nummer 13 wird ausgelassen, auf den Band 12 folgt direkt Band 14. Der Gesetzgeber erntet dafür Spott von Richtern.

Von Ronen Steinke

In Zügen fehlt oft der Waggon mit der Nummer 13, bei manchen Fluglinien gibt es keine 13. Reihe, und in Hotels fährt man gelegentlich mit dem Fahrstuhl direkt von der zwölften in die 14. Etage. Für die abergläubische Angst vor der Zahl 13 gibt es im Deutschen sogar einen Fachausdruck, der aus dem Griechischen entlehnt ist, man spricht von Triskaidekaphobie. Und die ist mit ein Grund dafür, dass sich am Freitag, dem 13., nach wiederkehrenden Studien viel mehr Menschen krankmelden als an anderen Tagen. Immerhin in der betont nüchternen Welt der Gerichte spielte das bislang keine Rolle. Bislang.

Die umfangreichen Regeln, die zwischen Sozialämtern und Bürgern gelten, sind in Gesetzbüchern zusammengefasst, die der Einfachheit halber durchnummeriert werden. Sozialgesetzbuch I, Sozialgesetzbuch II, Sozialgesetzbuch III... Jedes dieser Bücher hat ein eigenes Thema, das erste enthält allgemeine Regeln und Grundsätze, das zehnte enthält Regeln zum Verfahren. Die übrigen behandeln einzelne Bereiche des Wohlfahrtsstaats. Und nun soll zum 1. Januar ein neues Gesetzbuch hinzukommen. Es ist das dreizehnte. Aber es soll nicht die Zahl 13 tragen - sondern gleich die 14. Die 13 wird übersprungen.

Der Grund: Schon als die Planungen für dieses Gesetzbuch begannen, 2019, hatte der damalige wie auch heutige Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) angekündigt, auf "Empfindungen Rücksicht nehmen" zu wollen. Aus "Sensibilität" gegenüber Menschen, die die 13 fürchteten. Rücksicht auf Aberglauben also. Das neue Gesetzbuch soll unter anderem die Entschädigung von Terroropfern und anderen Betroffenen von Gewalttaten regeln, von Menschen also, die ein besonderes Unglück getroffen hat. "Es gibt viele Betroffene, die bei so einer Zahl ein ungutes Gefühl haben", hatte Heil erklärt.

Auf Okkultes ist in der Welt der Leitz-Ordner nie geachtet worden

"Hier keine Satire zu schreiben, ist schwer", kommentierte unlängst trocken ein Autor des Fachmagazins Die Sozialgerichtsbarkeit, der Präsident des Sozialgerichts Aachen, Volker Bischofs. Rücksicht auf Zahlenmystik stehe Juristen nicht gut. Natürlich gibt es einen Artikel 13 des Grundgesetzes ("Unverletzlichkeit der Wohnung"). Und selbstverständlich auch einen Paragrafen 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ("Verbraucher").

Auf Okkultes ist in der Welt der Leitz-Ordner nie stark geachtet worden, selbst hinter der 666, der sogenannten Zahl des Teufels, findet man im Bürgerlichen Gesetzbuch ganz profan eine Regel über die "Auskunfts- und Rechenschaftspflicht" im Geschäftsverkehr.

Jetzt steht der Start des neuen Sozialgesetzbuchs bevor. Und Spott bleibt nicht aus. In einem Online-Gesetzeskommentar schrieb ein Richter am Landessozialgericht München, Christian Braun, jüngst: Die neue Rücksicht auf Aberglauben sei als "Grundhaltung für den Gesetzgeber höchst problematisch". Zugleich bemerkte er spitz, dass der zentrale Paragraf für alle Entschädigungsansprüche in dem neuen Gesetzbuch ausgerechnet die Nummer 13 trage, was ja umso seltsamer sei. "Noch ratloser" mache ihn das, so der Richter. Veröffentlicht hat Christian Braun diesen Teil seiner Gesetzeskommentierung, vielleicht kein Zufall, unter der Randziffer 13.

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