Myanmar:Aufbruch abgesagt

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Eine Reform der Verfassung ist gescheitert, die Macht des Militärs ist ungebrochen, das Land bleibt isoliert - und fällt damit zurück in alte Abhängigkeiten. Doch Chinas Freundschaft hat ihren Preis.

Von Arne Perras

Der demokratische Aufbruch in Myanmar hatte mal ein Gesicht: Aung San Suu Kyi, die Friedensnobelpreisträgerin. Doch davon ist nicht viel geblieben. Inzwischen verkörpert die frühere Freiheitsikone nur noch Stillstand. Alle Anstrengungen, die menschenverachtende Herrschaft des Militärs zurückzudrängen, scheinen in diesem Land ins Leere zu laufen. Die Macht der Massenmörder, sie bleibt in Myanmar ungebrochen.

Deutlich wurde das Anfang der Woche, als Aung San Suu Kyis Partei ihr wichtigstes strategisches Ziel durchsetzen wollte, eine Änderung der Verfassung. Damit sollte der Einfluss des Militärs auf die Politik zurückgeschraubt werden, um zivile Kräfte zu stärken. Das politische System Myanmars ist noch immer ein seltsames Zwitterwesen, das demokratische und autokratische Züge vereint. Diesen großen Widerspruch gilt es aufzulösen, aber die Generäle lassen nicht von der Macht.

Die regierende Staatsrätin hat das Problem, dass diese Konstruktion nur mit der Zustimmung der Streitkräfte und nicht gegen diese zu ändern ist. Die Armee besetzt laut Verfassung ein Viertel aller Sitze im Parlament und verfügt de facto über ein umfassendes Vetorecht. Diese fatale Arithmetik wollte Suu Kyi aufbrechen. Doch ihr Vorhaben, die Zahl der Sitze für das Militär schrittweise zu reduzieren, ist gescheitert. Schlimmer noch: Das Veto der Soldaten sorgt dafür, dass sie nicht Präsidentin werden kann.

Als vor zweieinhalb Jahren die Rohingya-Krise eskalierte, rätselten viele, warum sich Aung San Suu Kyi demonstrativ vor die Armee stellte und die Generäle zuletzt sogar vor Gericht in Den Haag gegen Völkermordvorwürfe verteidigte. Eine mögliche Erklärung lautete: Sie tat es, um sich beim Militär eine Reform der Verfassung zu erkaufen. Sollte das tatsächlich der heimliche Deal gewesen sein, dann haben die Generäle die 74-Jährige nun verraten. Nichts hat sie bekommen, während sie als Komplizin des Militärs international am Pranger steht und ihr Ansehen weltweit verspielt.

Ein Weg aus der Krise ist nicht erkennbar, an der Machtverteilung in Myanmar dürfte sich auf absehbare Zeit nicht viel ändern. Suu Kyi steckt fest, sie könnte sich aus der Falle nur befreien, wenn sie wieder den Widerstand wählte. Aber danach sieht es nicht aus. In diesem Land können sich nun mutmaßliche Völkermörder ohne Strafe hinter der Fassade eines vermeintlichen Reformstaats verschanzen. Angesichts der internationalen Isolation, die die Generäle mit ihrer systematischen Verfolgung der muslimischen Rohingya provoziert haben, wird es Aung Sann Suu Kyi sehr schwerfallen, all jene Milliarden aus dem Ausland zu bekommen, die nötig sind, um den verarmten Staat zu entwickeln. Stattdessen fällt das Land zurück in eine altbekannte Abhängigkeit, aus der es sich eigentlich längst lösen wollte. China ist die einzige Schutzmacht, die Myanmar noch hat. Die Patenschaft, die Peking bietet, wird ihren Preis haben, vermutlich in Gestalt von Bodenschätzen und Wirtschaftsverträgen. Auch verläuft durch Myanmar eine wichtige Ölpipeline vom Indischen Ozean nach Norden, Peking will die Kontrolle darüber nicht verlieren. Im Gegenzug wird China zumindest mittelfristig seine schützende Hand über die Generäle halten, was den Demokraten in Myanmar nicht gefallen kann. Sie werden zwar Ende 2020 ihre Wahlen bekommen, aber der demokratische Aufbruch ist vorerst abgesagt.

© SZ vom 12.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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