Elf Jahre ist es her, dass Wladimir Putin auf der Sicherheitskonferenz eine programmatische Rede hielt, die nicht nur eine neue Sicht auf die Welt aus Moskauer Perspektive etablierte. Der Präsident zeichnet in seiner zweiten Amtszeit schon die Elemente vor, die Russlands Außenpolitik bis heute prägen. Sergeij Lawrow, seit bald 14 Jahren Außenminister, trägt Jahr für Jahr Variationen der bekannten Themen vor: Die Nato (und auch die EU) kreisten Russland ein, die Raketenabwehr der Amerikaner gefährde das Gleichgewicht der nuklearen Abschreckung. Und Russland versuche nur, seinen angemessenen Platz in der internationalen Ordnung auszufüllen. Dass Russlands wachsender Einfluss negativ wahrgenommen werde, sei nicht Russlands Schuld, sagte Lawrow dieses Mal.
Dass Moskau sich allerdings neuer und zunehmend aggressiver und subversiver Methoden bedient, um Einfluss in seinem Sinne zu nehmen, glaubt zumindest US-Sonderermittler Robert S. Mueller belegen zu können. In einer am Freitag vorgelegten 37-seitigen Anklageschrift zeichnet er detailliert nach, wie der Kreml über drei Jahre hinweg versucht hat, die Präsidentenwahl 2016 in den USA zu beeinflussen - mit dem Ziel, Hillary Clinton im Weißen Haus zu verhindern und dort Donald Trump zu installieren, von dem sich Moskau ein besseres bilaterales Verhältnis versprach.
Theresa May auf der Sicherheitskonferenz:Ihr braucht uns! Vergesst das nicht!
Die Mission der britischen Premierministerin May in München lautet: Schadensbegrenzung. Manch ein EU-Politiker hört einen drohenden Unterton.
Muellers Untersuchung führt direkt in das engste Umfeld des Kreml, zu Jewgenij Prigoschin. Der Mann, der "Putins Koch" genannt wird, ist der Bekannteste unter den 13 Russen, die Mueller angeklagt hat. Er ist der Mann hinter der Petersburger Troll-Fabrik, die systematisch soziale Medien im Internet manipuliert. Außerdem ist die sogenannte "Gruppe Wagner" seine Erfindung, jene private Söldner-Armee, die gerade bei einem heftigen Gefecht mit von den USA unterstützten Einheiten in Syrien bis zu 300 Mann verloren hat.
Mit Blick auf Muellers Anklage musste sich Lawrow nun aus dem Publikum fragen lassen, ob er denke, dass die "1,25 Millionen pro Monat gut investiert gewesen sind" - das ist die Summe, die Mueller als Budget der russischen Cyber-Operation angibt. Der Außenminister wischt das routiniert beiseite. Für die Einmischung Russlands wolle er Belege sehen, sonst sei alles nur Geschwätz, knurrt Lawrow. Selbst US-Vizepräsident Pence habe sich in diesem Sinne geäußert, und die Beauftragte des US-Heimatschutzministeriums für Cybersicherheit, Jeanette Manfra, habe dementiert, dass irgendein Land die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl beeinflusst habe.
Damit wäre das Thema erledigt gewesen, hätte nicht als nächster der Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, H.R. McMaster, das Podium erklommen. Hält er sich bei seiner Rede noch ans Skript, in der er Russland - ohne es beim Namen zu nennen - als "revisionistische Macht" geißelt, lässt er sich von einer Intervention des russischen Senators Konstantin Kossatschow zu einer Antwort provozieren, die seinem Chef noch allergrößte Probleme bereiten könnte.
"Die Belege sind unbestreitbar"
Mit der FBI-Anklage "sind die Belege jetzt unbestreitbar" für Russlands Einmischung in die Wahl, ätzte McMaster in Reaktion auf Kossatschows Anwürfe, die Zahl der amerikanischen Cyber-Angriffe in Russland seien zehn Mal so hoch wie der russischen in Amerika. In der US-Delegation waren daraufhin etliche erstaunte bis entsetzte Gesichter zu sehen. Trump hat immer versucht, die Vorwürfe einer russischen Einmischung als eine Lügengeschichte der Demokraten abzutun und die Ermittlungen Muellers als Hexenjagd bezeichnet.
McMaster dagegen machte sich nun öffentlich die Haltung der US-Geheimdienste und auch Muellers zu eigen, die Belege für den Versuch sehen, den Wahlausgang zu Gunsten Trumps zu beeinflussen, eine langfristig geplante und aufwendige Verschwörung unter dem Codenamen "Projekt Übersetzer". Mueller schreibt in seiner Anklage, die Russen selbst hätten die Operation als "Informationskriegsführung" bezeichnet.
Derartige Angriffe zuzuordnen sei in der Vergangenheit schwierig gewesen. Technisch, aber auch, weil man die Methoden der Geheimdienste nicht offenlegen wollte, dozierte McMaster weiter. Doch jetzt seien sie als Teil eines Dokuments der Strafverfolgung öffentlich einsehbar. Das aus dem Mund von einem der engsten Berater von Donald Trump zu hören, dürfte nicht nur die US-Delegation in München erstaunt haben.