Mitgliederzahl der Parteien:Es war nur ein Sommertraum

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Abstimmung auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Berlin im November 2017. (Foto: picture alliance / Kay Nietfeld/)
  • Die Mitgliederzahl aller derzeit im Bundestag vertretenen Parteien ist 2017 zum ersten Mal seit Langem wieder nennenswert gestiegen.
  • Doch Hoffnungen auf eine Trendumkehr waren verfrüht - jetzt sinkt die Zahl wieder.
  • Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien.

Von Robert Roßmann, Berlin

Für die Parteien in Deutschland war 2017 ein Jahr der Hoffnung. Seit der Wiedervereinigung war die Zahl ihrer Mitglieder mit Ausnahme eines einzigen Jahres ständig gesunken - und selbst in diesem Ausnahmejahr hatten sie nur einen minimalen Zuwachs von 0,4 Prozent vermelden können. Die schwindende Bindekraft der Parteien und ihr damit einhergehender Bedeutungsverlust schienen bereits eine Art Gesetzmäßigkeit zu sein. Doch dann kam das Jahr 2017 - und mit ihm eine erstaunliche Schubumkehr.

Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, der Streit um die Flüchtlingspolitik, die Bundestagswahl und die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz waren für viele Bürger Anlass, sich doch wieder in Parteien zu engagieren. Und so legten Grüne und Linke 2017 um jeweils knapp sechs Prozent zu. Die Mitglieder-Zahl der AfD stieg um gut zehn Prozent, die der FDP sogar um 17. Sogar die darbende SPD konnte ein kleines Plus von 2,4 Prozent vermelden. Lediglich die beiden Unionsparteien schrumpften weiter - auch wegen ihres heftigen Schwesternstreits um die Asylpolitik. Insgesamt stieg die Zahl der Mitglieder aller derzeit im Bundestag vertretenen Parteien 2017 aber um 1,8 Prozent.

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Doch wer die Hoffnung hatte, dass das der Auftakt zu einer Renaissance der Parteien war, wird jetzt eines Besseren belehrt. Professor Oskar Niedermayer, der seit vielen Jahren akribisch wie kein anderer Parteienforscher die Mitgliederentwicklung analysiert, hat jetzt sein "Arbeitsheft aus dem Otto-Stammer-Zentrum, Nummer 30; Freie Universität Berlin 2019" vorgelegt. Auf 95 Seiten hat er darin alle Daten für das Jahr 2018 zusammengetragen. Und das Ergebnis ist eindeutig: Die Zahl der Parteimitglieder sinkt schon wieder.

Insgesamt haben die Parteien im vergangenen Jahr 0,2 Prozent ihrer Mitglieder verloren. Dabei gibt es jedoch gewaltige Unterschiede. Grüne und AfD konnten mit einem Zuwachs von 15,7 und 21,3 Prozent ihren Schwung aus dem Vorjahr fortsetzen. Offenbar profitieren die beiden Parteien davon, Antipoden in den Debatten um die aktuell als am wichtigsten wahrgenommenen Themen zu sein - der Flüchtlings- und der Klimapolitik.

Die FDP, 2017 hatte sie sich noch über den größten Zuwachs freuen können, konnte 2018 ihre Mitgliederzahl nur noch um 1,4 Prozent steigern. Weil CDU (minus 2,6 Prozent), CSU (minus 1,9), SPD (minus 1,2) und Linkspartei (minus 0,5) sogar Mitglieder verloren, kam es insgesamt zu dem negativen Saldo.

Der kurz gestoppte Niedergang der Parteien geht also weiter. Wie dramatisch die Entwicklung ist, zeigt ein Blick auf den Verlauf seit der Wiedervereinigung: Seit 1990 hat sich die Zahl der Mitglieder fast halbiert.

Habeck ist genauso alt wie der Durchschnitt der Grünen-Mitglieder

Stärkste Partei ist mit 437 754 Mitgliedern (Stand 31. Dezember 2018) die SPD, knapp vor der CDU (414 905). Um die Bedeutung der einzelnen Parteien besser bewerten zu können, empfiehlt Niedermayer aber, nicht nur auf die absolute Mitgliederzahl zu blicken. Schließlich habe zum Beispiel die CDU keinen Landesverband in Bayern, während die SPD im ganzen Bundesgebiet um Mitglieder werbe. Außerdem hätten die Parteien unterschiedliche Mindesteintrittsalter.

Niedermayer empfiehlt deshalb einen Blick auf die "Rekrutierungsfähigkeit" - also auf den Anteil der Mitglieder an der Bevölkerung, der tatsächlich in die Partei eintreten kann. In dieser Rangliste führt mit großem Vorsprung die CSU. In ihr sind 1,27 Prozent aller "Parteibeitrittsberechtigten" Mitglied. CDU und SPD kommen nur auf 0,71 und 0,61 Prozent. Die anderen Parteien erreichen nicht einmal 0,1 Prozent. Insgesamt sind in Deutschland 1,72 Prozent aller Bürger, die in eine Partei eintreten dürfen, auch Mitglied einer Partei. 1990 war der Anteil noch mehr als doppelt so hoch.

Extrem unterschiedlich ist auch der Anteil der Frauen in den Parteien. Schlusslicht ist mit 17,1 Prozent die AfD. Die CSU kommt auf 20,7 Prozent, die FDP auf 23,7, die CDU auf 26,3. Den höchsten Anteil haben mit 40,5 Prozent die Grünen gemeldet, gefolgt von der Linkspartei mit 36,4 und der SPD mit 32,6 Prozent.

Auch beim Altersdurchschnitt der Mitglieder gibt es große Unterschiede. Bei CDU, SPD und CSU liegt er bei 60 Jahren. Die Linken (55 Jahre), die Liberalen (52) und vor allem die Grünen (49) sind jünger. Grünen-Chef Robert Habeck ist also genau so alt wie der Schnitt seiner Parteimitglieder.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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