Misstrauensantrag gegen Vizepremier Alfano:Kasachische Affäre in Italien

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Vizepremier und Inneminister Angelino Alfano (links) und Premierminister Enrico Letta in Erklärungsnot (Foto: dpa)

Dutzende italienische Polizisten dringen nachts brutal in das Haus eines kasachischen Flüchtlings ein und schieben seine Frau sowie sein Kind nach Kasachstan ab. Weil Vizepremier Alfano von der überstürzten Aktion gewusst haben soll, will die Opposition ihn mit einem Misstrauensantrag stürzen.

Von Andrea Bachstein

Dass ihnen ausgerechnet aus dem fernen Astana Probleme erwachsen würden, hatten der italienische Innenminister Angelino Alfano und Premierminister Enrico Letta sicher nicht erwartet. Vieles ist noch unklar in diesem "kasachischen Krimi", der Affäre, derentwegen Alfano sich an diesem Freitag einem Misstrauensantrag im Senat stellen muss. Der Premier versucht, seine Sozialdemokraten (PD) einzuschwören, damit sie die Koalitionsregierung mit Alfanos PDL nicht platzen lassen.

Die Affäre dreht sich um die inzwischen widerrufene, aber am 31. Mai erfolgte Abschiebung der Kasachin Alma Schalabajewa und ihrer sechsjährigen Tochter Alua aus Italien zurück ins Reich des diktatorischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Schalabajewa ist Frau des kasachischen Oligarchen und Nasarbajew-Gegners Mukhtar Ablyazow, der 2009 sein Land verlassen hat. 2002 und 2003 saß er dort im Gefängnis, er berichtete, gefoltert worden zu sein, das Europaparlament und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International setzten sich für ihn ein. Er sieht sich als Dissidenten und politischen Flüchtling, das macht die Abschiebung seiner Frau und der Tochter zum skandalösen Vorgang, unvereinbar mit Menschen- und Flüchtlingsrechten.

Nächtlicher Besuch von Dutzenden Polizisten

Noch skandalöser wird die Abschiebung dadurch, dass der Botschafter Kasachstans in Rom jenseits der diplomatischen Wege direkt bei italienischen Behörden vorstellig wurde und auch das Flugzeug nach Astana gestellt hat. Was Angehörige Schalabajewas der Zeitung La Stampa schilderten, klingt eher nach kasachischen Verhältnissen als nach Italien: Dutzende Polizisten seien nachts in das Wohnhaus außerhalb Roms eingedrungen und hätten Anwesende bedroht. Eigentlich ging es dem Einsatzkommando - und der kasachischen Botschaft - um Mukhtar Ablyazow. Gegen ihn liegen Haftbefehle aus Kasachstan, Russland und der Ukraine vor, ihm wird Betrug in Milliardenhöhe vorgeworfen. Der Gesuchte war nicht im Haus. Dafür nahmen die Beamten Ablyazows Frau und Tochter mit, zwei Tage später wurden sie nach Kasachstan geflogen.

Innenminister und Vizepremier Alfano geriet in Erklärungsnot. Er versuchte sich im Parlament damit aus der Affäre zu ziehen, dass er keinerlei Kenntnis von dem Fall gehabt habe. Sicherheitskräfte und Beamte im Innenministerium hätten ihn nicht informiert, der Fall sei ihm unbekannt gewesen. Alfanos Büroleiter Giuseppe Procaccini nahm den Hut, stellte aber die Sache so dar, dass er den Minister über den Haftbefehl gegen Ablyazow informiert hatte, Alfano also doch teilweise Kenntnis hatte. Der oberste Polizeichef, Alessandro Pansa, hat vor dem Senat diese Darstellung unterstützt.

"Eine unerhörte Geschichte"

Vieles bleibt aber ungeklärt - etwa, ob Schalabajewa und Ablyazow überhaupt Antrag auf politisches Asyl in Italien gestellt hat. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die kleine Linkspartei SEL wollen Alfano nun mit dem Misstrauensantrag zum Rücktritt zwingen. Teile der sozialdemokratischen PD von Premier Letta sind derselben Meinung, für sie war Alfano als Statthalter Berlusconis in der Regierung von Anfang an schwer erträglich.

Der Fall droht die zerrissene PD weiter zu spalten: Matteo Renzi, Bürgermeister von Florenz, hat öffentlich überlegt, die PD zu verlassen, sollte sie Alfano decken. Staatspräsident Giorgio Napolitano nannte die überstürzte Abschiebung am Donnerstag "eine unerhörte Geschichte". Aber daran dürfe die Regierung nicht scheitern: Angesichts der Wirtschaftsprobleme sei das Risiko politischer Instabilität viel zu groß.

© SZ vom 19.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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