Migration:Kipping: Projekt gegen häusliche Gewalt bei Geflüchteten

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Katja Kipping (Linke), Sozialsenatorin, bei einer Pressekonferenz. (Foto: Carsten Koall/dpa/Archivbild)

Ein neues Projekt gegen häusliche Gewalt in Flüchtlingsunterkünften läuft Ende des Jahres aus. Die Sozialsenatorin macht sich Sorgen, wie es danach weitergeht. Sie hält den Ansatz nach wie vor für richtig.

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Berlin (dpa/bb) - Um häuslicher Gewalt unter Geflüchteten vorzubeugen, können nach Einschätzung von Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) spezielle Gesprächsgruppen in Flüchtlingsunterkünften ein Beitrag sein. Das ist die Absicht des sogenannten Gentle Projects, das im September 2022 in Berlin gestartet ist und zunächst noch bis Ende 2023 läuft. Das Projekt biete Geflüchteten einen sicheren Raum, um an den Ursachen von Konflikten zu arbeiten, sagte Kipping am Montag.

Männer lernten unter anderem, ihr Rollenbild zu hinterfragen. Frauen bekämen außerdem die Möglichkeit zu erfahren, welche Rechte und Handlungsmöglichkeiten sie haben. Nach Angaben des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) haben am Gentle Project bisher 176 Personen in fünf LAF-Unterkünften teilgenommen. Darunter waren den LAF-Daten zufolge 91 Frauen und 85 Männer, davon 34 Männer mit gewalttätigem Verhalten.

Das Projekt wird durch das LAF mit insgesamt 185.000 Euro gefördert. Dabei stehen den Geflüchteten vier Counselor genannte Berater zur Verfügung, die selbst auch Arabisch, Farsi und Dari sprechen. Die Counselor bieten Gruppen- und Einzelberatungen an und sind im Rahmen einer einjährigen Qualifizierung bei der International Psychosocial Organisation (Ipso) auf ihre Arbeit vorbereitet worden.

Solche Beratungsmöglichkeiten seien nicht nur der menschlichere Zugang, sagte Kipping. „Das, was Ipso anbietet, ist nachhaltiger und effizienter, als es jeder Law-and-order-Ansatz sein kann.“ Kipping erklärte, der Impuls für das Projekt sei insbesondere ein Femizid im vergangenen Jahr in Berlin gewesen, bei dem ein aus Afghanistan stammender Mann seine Frau nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft nach der Trennung von ihm auf offener Straße mit zahlreichen Messerstichen getötet hat.

Es gehe darum, jede Form von Gewalt zu thematisieren, ergänzte Ahmad Chahabi, einer der Counselor, der selbst aus dem Libanon nach Berlin bekommen ist. Geflüchtete erleben nach den Erfahrungen der Berater häufig Frustration, Angst, Wut, den Druck arbeiten zu wollen, aber nicht zu dürfen und das alles in der Regel in einer ihnen fremden Kultur und Umgebung. Zum Teil gehe es um Männer, die selbst Gewalterfahrungen gemacht hätten, häufig um Väter, die Druck auf ihre Kinder ausübten, zum Beispiel, wenn die sich nicht den väterlichen Erwartungen entsprechend verhalten.

Für Männer gibt es in solchen Fällen ein Beratungsangebot von acht Sitzungen in einer Gruppe zusammen mit anderen. Das Ziel sei zu verhindern, dass Gewalt eskaliert, abzubremsen, schon bevor die Ampel rot wird, erläuterte Projektleiterin Mina Orang.

Das Projekt in seiner jetzigen Form sei angesichts von mehr als 32 000 Geflüchteten in Berlin nur als erster Schritt gedacht gewesen, sagte Kipping. „Die Idee war, das Ganze Schritt für Schritt auszubauen.“ Das hänge aber an der Finanzierung, die nur bis Ende des Jahres gesichert sei. Wie es damit weitergehe, hänge maßgeblich von der Regierungsbildung in Berlin ab. Aus Sicht der Linke-Politikerin spricht alles dafür, es fortzusetzen.

© dpa-infocom, dpa:230417-99-344914/3

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