Mieten:Eine kleine Revolution auf Seite 3066

Lesezeit: 3 min

Der Bund will Städten und Kommunen Baugrund in Zukunft günstiger verkaufen. Das ist angesichts der Wohnungsnot auch dringend nötig, wie das Beispiel Münster zeigt.

Von Jan Bielicki, München

Beim Notartermin lächelte Markus Lewe zwar noch etwas gequält in die Kameras. Doch der Oberbürgermeister hatte an diesem Tag im April einen für Münster ziemlich bedeutsamen Deal unterzeichnet: 75 Hektar Grund für seine Stadt, genug Platz für 3000 Wohnungen. 10 000 Menschen sollen einmal auf den Flächen der York- und der Oxford-Kaserne leben, die vor etwa fünf Jahren von der britischen Armee geräumt wurden. Für den hochpreisigen Wohnungsmarkt der Universitätsstadt wäre das eine wichtige Entlastung.

Der CDU-Mann war vor allem erleichtert, weil die vorangegangenen Verkaufsverhandlungen bisweilen "sehr zäh" verlaufen seien, erinnert sich Lewe. "Das war schon eine extreme Verhandlungsintensität." Dabei sollte der Besitz nicht zwischen zwei abgebrühten Geschäftsleuten wechseln, sondern nur von einer staatlichen Ebene zu einer anderen. Den Verhandlern der Stadt saßen Vertreter des Bundes gegenüber, genauer: der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Sie verwaltet das Grundvermögen des Bundes und organisiert eben auch den Verkauf ehemaliger Kasernenflächen der Bundeswehr und ihrer Nato-Alliierten. "Aber man hatte oft nicht das Gefühl, dass hier zwei öffentliche Ebenen gemeinsam überlegen, was für die Bürger das Beste ist", erzählt Lewe.

Über den Kasernen-Kaufpreis wurde zwar Stillschweigen vereinbart, die örtlichen Westfälischen Nachrichten wollen jedoch etwas von "unter 40 Millionen Euro" erfahren haben. Doch während die Bima nach Vertragsabschluss behauptete, sie habe Münster den Grund etwa zehn Millionen Euro billiger als geplant gegeben, beschwerte sich Lewe. Die Praxis der Bima, alte Kasernengelände und andere Liegenschaften des Bundes "möglichst gewinnbringend zu verkaufen", sei "ein echtes Problem", sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Deshalb verlangt der Deutsche Städtetag, dessen Präsident Lewe ist, schon lange, der Bund solle angesichts der Wohnungsnot in den Großstädten seine Grundstücke billiger an die Kommunen abgeben. Dann könnten diese dort Sozialwohnungen und anderen günstigen Wohnraum bauen. Tatsächlich verfügt die Bima über reichlich unbebauten Grund, auch in Großstädten mit hohen Mieten. Allein in Berlin, München und Köln sind es zusammen etwa 200 Hektar (siehe Grafik). Zwar ist keineswegs klar, ob alle diese Grundstücke tatsächlich bebaubar sind. Aber wenn es an den Verkauf geht, ist in vielen Städten der Unmut groß über die Preise, welche die Bima verlangt. In Darmstadt forderte die örtliche SPD-Ratsfraktion wegen der "überteuerten Preisvorstellungen der Bima" für ehemalige Kasernengelände gar, eine Enteignung des Bundes in die Wege zu leiten.

Nun kommt allerdings Bewegung in die Vergabepraxis der Bima. Bereits im Juni sprach Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf dem Sommerfest der Bima davon, "zu prüfen, welche Liegenschaften für Wohnungsneubau oder Wohnungsumbau genutzt werden können". Und im Juli kam eine Passage in das vom Bundestag verabschiedete Haushaltsgesetz, die zwar ganz hinten auf Seite 3066 steht und nur wenige Zeilen hat, aber den Forderungen der Kommunen weit entgegenkommt. Danach wird die Richtlinie, die regelt, wann und wie weit die Bima Städten preisliche Nachlässe einräumen darf, stark geändert.

Denn Ausnahmen von der Regel, dass die Bima das ihr anvertraute Staatsgrundeigentum natürlich nicht unter Wert verscherbeln darf, gab es bisher schon. So haben Kommunen den Erstzugriff auf angebotene Grundstücke. Bauen sie Flüchtlingsheime, Kindergärten, Sportstätten, Museen, Straßen oder eben auch Sozialwohnungen darauf, darf die Bima genau festgelegte Abschläge vom gutachterlich festgesetzten Kaufpreis abziehen.

Der Oberbürgermeister will Trabantenstädte wie in den 70ern verhindern

Allerdings sind diese Abschläge gedeckelt und sie gelten nur für ehemaliges Militärgelände. Außerdem darf die Stadt so erworbene Grundstücke nicht an Private weiterverkaufen - was vielerorts hinderlich ist, weil viele Städte auf private Bauträger angewiesen sind, wenn sie schnell Wohnraum schaffen wollen. Das soll sich ändern. Künftig sollen Kommunen auf "alle entbehrlichen Grundstücke" zuerst und verbilligt zugreifen dürfen. Sie könnten dann den gekauften Grund auch verbilligt an private Bauträger weiterreichen, sofern dies der "Erfüllung des Verbilligungszwecks" dient. Und wenn es um sozialen Wohnungsbau geht, darf die Bima künftig unbegrenzt Grundstücke verbilligt an Kommunen abgeben - bisher war ihr eine Grenze von 100 Millionen Euro gesetzt. Nach der Sommerpause will das Bundesfinanzministerium die überarbeitete Richtlinie dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorlegen.

Für Markus Lewe sind das "gute Schritte in die richtige Richtung". Allerdings sieht er Klärungsbedarf mit der Bima über die Art, den angemessenen Grundstückswert festzulegen. Preise etwa nur danach zu bemessen, wie viele Wohnungen sich auf eine Fläche pressen lassen, hält der OB für falsch. Es brauche schließlich auch Grün und Raum für Begegnung in den neuen Stadtteilen - "sonst machen wir die gleichen Fehler wie in den Trabantensiedlungen der Siebzigerjahre".

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: