Mexiko:Langer Brief zum kurzen Tweet

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Die Zahl der illegalen Grenzübertritte von Mexiko in die USA hat sich seit dem Amtsantritt Trumps drastisch erhöht: Aufgegriffene Migranten in New Mexico. (Foto: José Luis Gonzalez/Reuters)

Wie Amerikas südliches Nachbarland auf die Drohung aus Washington reagiert.

Von Christoph Gurk

Während US-Präsident Donald Trump zwei Sätze bei Twitter brauchte, um Strafzölle gegen Mexiko anzukündigen, reagierte Mexikos Präsident auf die Drohungen aus Washington mit einem zweiseitigen Brief. Andrés Manuel López Obrador, der sonst für eher sanfte Töne mit Trump bekannt ist, kritisierte darin ungewöhnlich scharf die Politik seines Kollegen jenseits des Rio Grande: "Herr Präsident: Soziale Probleme lassen sich nicht mit Abgaben oder Zwangsmaßnahmen lösen", schrieb er und erinnerte daran, dass die Freiheitsstatue in New York kein leeres Symbol sein dürfe - eine Anspielung auf die Geschichte Amerikas als Einwanderungsland. Immerhin endet der Brief noch versöhnlich. Als "Ihr Freund" hat López Obrador ihn unterzeichnet.

Tatsächlich hat Trump Mexikos Präsident in eine missliche Lage gebracht: Die Androhung von Strafzöllen ist ein politischer Affront. Zudem wären die Abgaben eine ernsthafte Bedrohung für die Wirtschaft des Landes. Die USA sind wichtigster Handelspartner Mexikos. Jeden Tag fahren unzählige Laster mit Elektrogeräten, Autoteilen, Früchten und Gemüse von Süd nach Nord über die Grenze. Viele Produkte in den Regalen von US-Supermärkten stammen aus Mexiko, genauso wie auch viele der SUVs und Pick-ups, die über Amerikas Highways rollen, in Mexiko zusammengebaut wurden.

Letztendlich würden nicht nur mexikanische Betriebe enorm unter den Strafzöllen leiden, sondern auch Firmen und Kunden in den USA. Schließlich müssten US-Unternehmen, die in Mexiko produzieren, ihre Produkte am Ende teurer verkaufen, sonst blieben sie auf den Mehrkosten für die Strafzölle sitzen. Vor allem Autobauer träfen die neuen Abgaben hart: Bis ein Wagen montiert ist, passieren seine Einzelteile oft mehrmals die Grenze. Jedes Mal wären beim Übertritt von Süd nach Nord Gebühren fällig. Seit der Ankündigung Trumps sind darum die Kurse von GM und Ford, aber auch von BMW, Volkswagen und Daimler, die alle Fabriken in Mexiko haben, gefallen. Auch der mexikanische Peso hat gegenüber dem Dollar verloren.

Die Strafzölle könnten in Mexiko eine Rezession auslösen

Die Strafzölle hätten das Potenzial, in Mexiko eine Rezession auszulösen, befürchten Experten. Dies wiederum könnte dazu führen, dass die Migrationsströme in Richtung der USA sogar noch ansteigen. Denn bei einer wirtschaftlich prekären Lage würden sich mehr Menschen auf den Weg in die USA machen, um dort Arbeit zu suchen, darunter dann auch wieder mehr Mexikaner.

Denn bislang ist Mexiko vor allem Durchgangsstation für Menschen aus Guatemala, Honduras und El Salvador auf dem Weg nach Norden. Nachdem sie zu Beginn der Amtszeit von López Obrador Tausende humanitäre Visa an Migranten aus Zentralamerika verteilt hatte, geht die mexikanische Regierung nun immer härter gegen die Zuwanderer vor. Mehr als 45 000 wurden in den vergangenen Monaten abgeschoben, mittlerweile sind mexikanische Soldaten an der Grenze nach Süden stationiert.

Gleichzeitig versucht Präsident López Obrador aber auch, die Ursachen der Massenauswanderung im Süden zu bekämpfen. Mitte Mai hat er zusammen mit den Vereinten Nationen eine Art Marshallplan für Zentralamerika vorgelegt. Mexiko selbst will in den nächsten fünf Jahren 25 Milliarden Dollar in der Region investieren, auch die USA hatten im Dezember zehn Milliarden zugesichert. Bei der Vorstellung des Projekts sagte López Obrador, es sei an den USA, es Wirklichkeit werden zu lassen. Bisher gibt es keine offizielle Bestätigung aus Washington, ob die Regierung Trump wirklich das Geld aufbringen wird.

Mexikos Präsident hat derweil noch am Freitagmorgen seinen Außenminister Marcelo Ebrard in die USA geschickt, um dort über das Ultimatum seines "Freundes" zu verhandeln. Viel Zeit bleibt nicht: Trump will die Zölle vom 10. Juni an eintreiben.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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