Merkel oder Schulz?:Wie die Welt auf die Bundestagswahl blickt

Lesezeit: 12 Min.

Touristen besichtigen das Reichstagsgebäude in Berlin (Foto: imago)

Mancher US-Amerikaner hält Deutsche für die glücklichsten Menschen. Wegen Merkel. In Griechenland fürchtet man die Zeit nach Schäuble. Und Österreich ist mit sich selbst beschäftigt.

Von SZ-Korrespondenten

Für die Briten zählt Langeweile

In London gilt es, wenig überraschend, als ausgemacht, dass die Union mit Angela Merkel die Bundestagswahl gewinnt. Gleichzeitig gibt es, und das ist schon etwas weniger selbstverständlich, einen weitreichenden Konsens im konsensarmen Königreich darüber, dass Merkel auch die beste Wahl ist.

Zwar ist Merkel als (Mit-)Schuldige für die Flüchtlingskrise ausgemacht worden, und da Einwanderung in Großbritannien ein riesiges Thema ist, wiegt das schwer. Sie hat sich zudem für einen engen Schulterschluss der europäischen Staaten in den Verhandlungen mit Großbritannien "ohne Wenn und Aber" eingesetzt und ist damit in den Augen der Brexit-Befürworter Teil einer antibritischen Verschwörung.

Sie hat sich, anders als Außenminister Boris Johnson entspannt vorhersagte, nicht dafür ausgesprochen, dass London schon vor dem faktischen Brexit bilaterale Handelsverträge schließen darf, obwohl sie doch, so Johnson, kein Interesse daran haben könne, die deutsche - und die britische - Wirtschaft zu schädigen. Alles zweitrangig: Was zählt, sind Erwartbarkeit und, ja nun, Langeweile.

Brexit
:Mays Populismus wird dem ganzen Land schaden

Die britische Regierungschefin will die Zahl der Migranten deutlich verringern. Das soll den "kleinen Leuten" helfen. In Wahrheit gefährdet es den Wohlstand.

Kommentar von Björn Finke, London

In Großbritannien, wo Wahlempfehlungen von Medien an der Tagesordnung sind, wird den Deutschen daher, quasi über den Kanal hinweg, zum geringsten Risiko geraten - und das ist für Fans wie Gegner des Brexit die deutsche Kanzlerin. Der konservative Spectator schreibt, Merkel sei "die Beste". Und im proeuropäischen Centre for European Reforms wird vor allem darüber nachgedacht, ob die Union womöglich in einer Koalition mit der FDP wirtschaftsfreundlicher wäre und mithin einen für die Briten erträglicheren Deal aushandeln würde. Merkel als Ritterin auf einem Schimmel, die - ausgestattet mit neuer Macht - den Briten in Brüssel zur Hilfe kommt, das ist ein Wunschtraum, den viele Briten hegen.

Merkel und Macron andererseits - das ist eine Achse, die man in der Regierung fürchtet, aber auch die, so die Hoffnung, könnte brechen. Denn sollte die AfD zweistellig in den Bundestag einziehen und Merkels Höhenflug stoppen, heißt es in London, würde sie Macrons weitgehende Pläne für eine Vertiefung der EU womöglich einhegen. Wenn man schon keinen großartigen Deal für Großbritannien herausholen kann, so die emotionale Rechnung, dann soll es zumindest auch kein großartiges, erstarktes Europa geben.

Von Cathrin Kahlweit

Frankreich rechnet mit Widerstand nach dem 24. September

Emmanuel Macron kann die Bundestagswahl kaum erwarten: Für Frankreichs Präsidenten öffnet sich danach ein Zeitfenster zur Umsetzung seiner radikalen Reformpläne für Europa. Um EU-skeptische Kräfte nicht zu stärken, stellt er die Initiative zwar erst kurz nach der deutschen Wahl vor. Klar ist aber: Macron strebt unter anderem ein üppiges Budget für die Euro-Zone an, inklusive gemeinsamer Schuldenaufnahme. Je nachdem, wie die künftige Berliner Koalition aussieht, könnten diese Ideen jedoch eine Utopie bleiben.

In Macrons Umfeld hatte man daher zunächst auf den SPD-Europäer Martin Schulz als mutmaßlich leichtesten Partner gehofft. Schon im Juni ließ Macron dann erkennen, dass er sich auf eine weitere Zusammenarbeit mit der CDU-Kanzlerin einstellt. Ohnehin zeigt sich Angela Merkel zumindest gesprächsbereit.

Eine wirklich böse Überraschung wäre für Macron dagegen, käme die FDP an die Regierung. Vieles von dem, was ihm vorschwebt, lehnen die Liberalen strikt ab. Auch deshalb erhält die Bundestagswahl in Frankreich mindestens so viel Aufmerksamkeit wie die Senatswahl im eigenen Land am selben Tag.

Von Leo Klimm

Die Enttäuschung in der Türkei sitzt tief

Wer auch immer nach dem 24. September in Deutschland regiert, eine schnelle Kehrtwende in der deutschen Türkei-Politik dürfte nicht zu erwarten sein - das sieht man auch in Ankara. Was den EU-Beitritt angeht, geht es entweder um die Suspendierung der Gespräche, wozu Kanzlerin Merkel tendiert. Oder um deren Abbruch. SPD-Herausforderer Martin Schulz hatte dies im Falle seines Wahlsieges angekündigt. Bei den kleineren Parteien ist die Geduld mit der Türkei ebenfalls am Ende.

Bundestagswahl
:Erdoğan: "Türken in Deutschland sollen nicht für Christdemokraten, SPD oder Grüne stimmen"

Der türkische Präsident gibt eine klare Wahlempfehlung an die türkischstämmigen Wähler in Deutschland ab. Nur Parteien, die keine "Türkeifeinde" seien, solle man unterstützen. Kanzlerin Merkel reagiert.

Klar ist, zwischen Deutschland und der Türkei besteht ein schweres Zerwürfnis, die Frage ist nur: Wie tief geht es, was lässt sich nach dem 24. September reparieren? Im Regierungslager unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan herrscht die Meinung vor, nach dem Wahltag werde sich die Lage schon wieder entspannen: Die neue Härte aus Berlin, jetzt auch mit wirtschaftlichen Sanktionen zu drohen, sei dem Parteienwettstreit geschuldet. Die Äußerungen der SPD gar auf schlechte Umfragewerte für die Sozialdemokraten zurückzuführen.

In der politischen Übung, neue Kapitel aufzuschlagen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, kann Ankara zwar ein wahrer Meister sein. In Berlin vergisst man aber nicht so schnell. Erdoğans Aufforderung an die wahlberechtigten Deutschtürken, am 24. September CDU, SPD oder den Grünen nicht die Stimme zu geben, wirkt nach. Solange Deutsche wie etwa der Welt-Korrespondent Deniz Yücel und der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner in türkischen Gefängnissen festgehalten werden, erscheint eine Annäherung schwer möglich. In Ankara heißt es, beide Seiten müssten sich aufeinander zubewegen - nur niemand will den ersten Schritt machen.

Ebenso wie aus deutscher Sicht nahezu jedes neue Manöver in Ankara in diesen angespannten Tagen als Provokation wahrgenommen wird, so fühlen sich auch viele Anhänger Erdoğans von deutscher Politik regelmäßig provoziert: Deutschland beklagt sich übers Erdoğans Einmischung in den deutschen Wahlkampf. Auf der anderen Seite sprechen sich führende Politiker in Deutschland dafür aus, das Anti-Erdoğan-Lager in der Türkei stärker unterstützen zu wollen. Trotz anderslautender Bekundungen der Regierung können PKK-nahe Gruppen auf Veranstaltungen mitunter immer noch einigermaßen ungehindert für die Terrororganisation werben.

Spätestens seitdem selbst der Chef des Bundesnachrichtendienstes die Gülen-Bewegung, die die Regierung aber auch die Opposition in der Türkei als treibende Kraft hinter dem Putschversuch vom Sommer 2016 vermutet, als "zivile Vereinigung zur religiösen und säkularen Weiterbildung" bezeichnet hat, fühlen sich Türken in ihrem Anti-Terror-Kampf verraten.

Ein deutscher Diplomat sagte kürzlich, beide Seiten müssten sich gleichzeitig aufeinander zubewegen, damit niemand das Gesicht verliere. Ob es dazu kommt? Die Enttäuschung sitzt auf beiden Seiten tief. Die Wahl in Deutschland wird daran wenig ändern. Und Erdoğan hat schon die nächste Abstimmung im Blick - 2019 muss er sich der Präsidentschaftswahl stellen. Er befindet sich schon wieder im Wahlkampf.

Von Mike Szymanski

Eine nachmittägliche Stoop-Party im Brooklyner Spätsommer. Die Platanen werfen Schatten. Wie gut. Es ist immer noch heiß und schwül, wie fast den ganzen Sommer. Aber was die Nachbarn hier auf der Stoop, den Eingangsstufen zu einem der Brownstone-Häuser in meinem Block, wirklich die Röte in die Gesichter treibt, das ist ein Name: Donald Trump. Seit der im Weißen Haus sitzt vergeht kein Barbecue, kein Dinner und eben auch keine Stoop-Party, ohne dass irgendwann alle einen kollektiven Wutanfall bekommen. Es reicht, wenn einer fragt, ob wir gesehen haben, was Trump gerade auf Twitter geschrieben hat. Da raufen sich manche die Haare. Also, sie machen das wirklich, das ist nicht nur so dahergesagt.

Mich kennen noch nicht alle. Irgendwann oute ich mich als Deutscher. Und dann schauen sie mich an, als hätte ich das ganz große Los gezogen. Als müsste ich der glücklichste Mensch auf Erden sein. "Ja", sagen sie dann, "ihr habt Frau Merkel!" Gesegnet seien wir, sagen sie dann. Und: Was für eine tolle Frau. Und wie schlecht sie von Trump behandelt wurde, als er ihr im Oval Office nicht die Hand gab. Und dann entschuldigen sich alle dafür, dass sie einen Präsidenten haben, der so etwas macht. Das sei ihnen peinlich. Ich erkläre, dass Merkel jetzt aus deutscher Sicht auch nicht nur toll ist. Dass sie keine echten Ideen hat für das Land, mehr eine Verwalterin ist, denn eine Gestalterin.

Und dann schauen mich alle an, als würde ich vom Paradies erzählen. Ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Weil, das hätten sie jetzt gerade gerne, jemanden, der das Land einfach nur gut verwaltet. Und nicht jemanden, der 140-Zeichen-Kugeln aus seinem Twitter-MG abfeuert, als gäbe es kein Morgen. Und dann gehe ich nach Hause und muss mir eine Trump-Rede anhören, die er irgendwo im Land hält. Und ich höre zu und ich denke: Hach, die Merkel. Was für eine tolle Frau. Aber das denke ich nur. Ich würde das niemals sagen.

Von Thorsten Denkler

Athen würde Schulz wählen

Kann es wirklich dazu kommen, dass die Griechen sich Wolfgang Schäuble als Finanzminister zurückwünschen? In den Jahren der Krise, der aus Brüssel verordneten Sparpolitik, war kaum einer härter, unnachgiebiger aufgetreten als Merkels Finanzminister. Für manche Griechen, die hart unter den Reformen zu leiden haben, wurde der 75-jährige CDU-Politiker regelrecht zur Hassfigur.

Kurz vor der Wahl in Deutschland sagte nun ausgerechnet ein Abgeordneter der Linkspartei von Premier Alexis Tsipras, wenn es die FDP an die Regierung schaffe, könne es so weit kommen, dass wir "Schäuble noch vermissen werden." Die FDP will immer noch den Grexit, den Austritt Athens aus dem Währungsraum. Die Griechen dachten, das hätten sie hinter sich.

Gerade sind sie ins letzte Jahr des mittlerweile dritten Hilfsprogramms gestartet. Premier Tsipras hat seine Minister eben erst angehalten, bei den Reformen aufs Tempo zu drücken. Er will sein Land rausführen aus dem Rettungsprogramm. Er will die Krise hinter sich lassen.

Ginge es nach Athen, würde die Regierung wohl am liebsten mit einer Koalition unter Führung von SPD-Herausforderer Martin Schulz in Berlin zusammenarbeiten. Er hätte, so sagen es Spitzenpolitiker der Regierung in Athen, eher ein Gefühl dafür, dass es in Europa solidarischer zugehen müsse. Dass schwächelnde Länder nicht allein mit Sparpolitik zu kurieren seien. In den Umfragen hat aber Merkel die Nase vorne. Bei ihr wissen die Griechen immerhin, woran sie sind. An Schäuble hat sich die Regierung in Athen sogar gewöhnt - mit ihm würde vieles so bleiben, wie es ist.

Von Mike Szymanski

Am Dienstagabend, wenige Tage vor der Bundestagswahl, sind die Nachrichtenseiten der Schweiz mit anderem beschäftigt. Angela Merkel, Martin Schulz? Tauchen erst auf, wenn man weit nach unten scrollt. Die Neue Zürcher Zeitung fragt, ob Deutschland eine Amtszeitbegrenzung braucht, nach zwölf Jahren Merkel eine Frage, die man stellen kann. Doch das liberale Traditionsblatt mag der Kanzlerin seit der Öffnung der Grenzen im Sommer 2015 ohnehin nur wenig abgewinnen. Immer wieder publizieren hier Autoren, die Merkels Kurs kritisch sehen, was der NZZ viele Leser aus Deutschland einbringt. Die Pendlerzeitung 20 Minuten dagegen schaut in diesen Tagen lieber nach Frankreich. Dort hat ein Jäger versehentlich vier Esel erschossen, die er für Wild hielt.

Wenn es eine Figur im Bundestagswahlkampf gibt, die die Schweizer interessiert, dann ist das Alice Weidel, die in Biel bei Bern mit einer Schweizer Regisseurin zusammenlebt und zwei Kinder großzieht. Hier fühlen sich viele getäuscht: In der Kulturszene der Gegend hielt man die Familie für weltoffen und progressiv, der Wahlkampf in Deutschland zeigte die freundliche blonde Frau auf einmal, wie sie aufgebracht eine Talkshow verließ, zornig, laut und mit viel Pathos in der Stimme von "Altparteien" und "illegaler Einwanderung" sprach - und immer wieder die Schweiz als mustergültiges Vorbildland pries.

Was in der Bieler Kulturszene weniger gut ankam, sorgte bei der rechtskonservativen Weltwoche in Zürich für unbedingte Zustimmung. Weidel wurde immer wieder begeistert porträtiert, "Alice, die Wunderfrau" hieß ein Artikel, ein anderer, mitfühlender: "Alle gegen Alice". Wenig überraschend denn auch die Umfrage, die das Blatt des rechtspopulistischen Politikers Roger Köppel vor einigen Tagen publizierte: 67 Prozent der Weltwoche-Leser würden AfD wählen. Alice Weidel verbreitete die Umfrage umgehend auf Facebook.

Von Charlotte Theile

Bundestagswahl
:"Man kann es der AfD zutrauen, auch Frau Weidel zutrauen"

Eine angebliche E-Mail der Spitzenkandidatin mit rassistischem Inhalt löst Unruhe aus. CDU, SPD und Linke warnen vor der AfD. Weidel bestreitet, die Mail geschrieben zu haben.

Von Jens Schneider

"Totale Gleichgültigkeit" in den Niederlanden

Auf der Suche nach dem Adjektiv, das die Niederländer der Bundestagswahl anhängen, wird man schnell fündig. Ganz schön "saai" sei sie, heißt es allenthalben, also langweilig, fad. Angela Merkel gewinnt auf jeden Fall, so die überwiegende Ansicht, um den Rest glaubt man sich nicht weiter kümmern zu müssen. Wie immer also, klagt der Kolumnist René Cuperus: "obsessive Aufmerksamkeit" für die amerikanische Politik, "totale Gleichgültigkeit" gegenüber der deutschen. Immerhin, die linksliberale Volkskrant findet die Wahl wenigstens "angenehm langweilig" und zielt damit auf die Abwesenheit jener Brüllereien und unsachlichen Zuspitzungen, die den Wahlkampf in den USA und anderswo kennzeichneten.

Neben Gähnen lässt sich aber auch ein gewisser Neid der Nachbarn beobachten auf die granitharte politische Stabilität in Deutschland. Ihre eigene politische Landschaft ist schließlich zersplittert und schon lange polarisiert durch Hypernationalisten wie Geert Wilders. Leicht schadenfroh notiert man daher, dass endlich auch die Deutschen mit dem Rechtspopulismus zu kämpfen haben. Noch sei der Konsens der anderen Kräfte breit genug, um die AfD in Schach zu halten, meint das liberale NRC Handelsblad, warnt aber, dass die öffentliche Diskussion die Stimmungslage in der Bevölkerung vor allem hinsichtlich der Ausländerfrage nicht angemessen wiedergebe. Saai oder nicht saai, Deutschland stehe eine "turbulente Periode" bevor.

Und dann gibt es noch eine Sorge, die in fast allen Äußerungen mitschwingt: Dass Deutschland und Frankreich nach der Wahl nun Ernst machen mit dem Umbau der EU. Mehr Integration, mehr Macht für Brüssel - das ist das Letzte, was die Niederländer gerne hätten.

Von Thomas Kirchner

Österreich ist mit sich selbst beschäftigt

Stell dir vor, es wird gewählt und keiner guckt hin. Ausgerechnet im irgendwie sprachverwandten Nachbarland Österreich interessiert sich in diesen Tagen tatsächlich kaum einer für die Wahl im deutschen Nachbarland - und das hat nichts mit Ignoranz zu tun und auch nicht mit einem Anti-Piefke-Protest, sondern schlicht mit Reizüberflutung. Denn die Österreicher wählen selbst ein neues Parlament am 15. Oktober, und der Wahlkampf läuft längst laut auf hohen Touren.

Das heimische Polit-Publikum also ist völlig ausgelastet mit sogenannten Sudelkampagnen, mit "Verhaberungen", sprich Freunderlwirtschaft, sowie allerlei deftigen Aussprüchen gegen Migranten und Ausländer. Der Wahlkampf folgt hier eigenen Gesetzen, und Parallelen zu Deutschland möchte gerade wirklich niemand ziehen.

Gewiss, Bundeskanzler Christian Kern hätte bestimmt gern solch einen Unanfechtbarkeitsbonus wie seine Amtskollegin Angela Merkel. Doch Kern ist von der SPÖ, in seinem Wahlkampf ist er chronisch in der Defensive, und daher muss er höllisch aufpassen, am Ende nicht auch noch mit dem unglücklichen Martin Schulz verglichen zu werden. Sein Herausforderer Sebastian Kurz von der konservativen Volkspartei dagegen mag Merkel parteipolitisch nahestehen, inhaltlich aber grenzt er sich mit mächtigem Erfolg messerscharf von der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin ab. Und selbst die AfD interessiert in Österreich nur mäßig, schließlich hat man hier mit der FPÖ das Original in Sachen Rechtspopulismus hervorgebracht.

Wahlkampf in Österreich
:Jeden Tag ein Aufreger

Wer die Spannung im deutschen Wahlkampf vermisst, dem sei ein Blick nach Österreich empfohlen. Ein Überblick über Pannen, Populisten und Peinlichkeiten.

Von Leila Al-Serori und Oliver Das Gupta

Von Peter Münch

Das Bild, das der russische Fernsehzuschauer seit Beginn des Ukraine-Kriegs und seit der Flüchtlingskrise von Deutschland und der deutschen Bundeskanzlerin vorgesetzt kriegt, dürfte einem deutschen Zuschauer sehr bekannt vorkommen: Es ist das Weltbild der AfD. Lange habe Angela Merkel "wie unter Hypnose die Anweisungen von der anderen Seite des Atlantiks ausgeführt", lässt der Moderator der sonntäglichen Sendung "Westi Nedeli" die Zuschauer wissen. Dazu zeigt das Fernsehen Bilder, wie AfD-Anhänger die Bundeskanzlerin bei einem Wahlkampfauftritt auspfeifen. Unter dem wachsenden Druck der eigenen Bevölkerung sehe sie sich nun aber gezwungen, davon abzurücken.

"Das Volk", das ist im russischen Fernsehen die AfD, die "gegen die Einwanderungspolitik und die antirussischen Sanktionen eintritt". Jedes kritische Wort über Washington aus Merkels Mund wird als Zugeständnis an dieses Volk gedeutet.

Die russische Führung sieht in Merkel die Schlüsselfigur, die Europa geschlossen hält - vor allem was Sanktionen gegen Russland betrifft. Dass Sigmar Gabriel einen Abzug amerikanischer Kernwaffen aus Deutschland ins Spiel brachte, wurde in russischen Staatsmedien gefeiert. Schließlich sei Deutschland "faktisch ein besetztes Land".

Der Kreml schätzt allerdings auch, dass er in Merkel ein berechenbares Gegenüber hat, wenn auch mit einer harten Position. Die Erfahrung mit Trump hat auch bei russischen Diplomaten die Lust auf Experimente gedämpft.

Von Julian Hans

Parteien vor der Bundestagswahl
:Russlanddeutsche: die unsichtbaren Migranten

Erst der Ukraine-Konflikt, dann der "Fall Lisa": Deutsche Parteien fürchten, die Russlanddeutschen an die AfD zu verlieren. Zu Recht?

Reportage von Hannah Beitzer

Japan und Deutschland? Eher Missverständnis als Wertegemeinschaft

Bundestagswahlen? Die meisten Japaner haben noch nichts davon gehört, dass Deutschland am Wochenende wählt. Wahlen im Ausland stoßen hier selten auf Interesse. Eine Ausnahme bilden die Präsidentschaftswahlen in den USA, eine zweite war die Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten - allerdings erst im Nachhinein und bloß, weil sich plötzlich mehrere hiesige Politiker selbst zu japanischen Macrons ernannten. Eine Parlamentswahl dagegen, von der überdies erwartet wird, sie bestätige Bundeskanzlerin Angela Merkel im Amt, nehmen nicht einmal die Medien richtig wahr. Im Voraus schon gar nicht.

Die Japaner sind wahlmüde, sie sagen, es ändere sich ja doch nichts. Seit 1956 regiert in Tokio mit zwei Unterbrechungen die gleiche Partei, Premier Shinzo Abes Liberaldemokraten (LDP), die sich trotz der schwächelnden Wirtschaft an der Macht behaupten. Wenn sich eine glaubwürdige Chance bietet, ihnen eins auszuwischen, dann packen die Japaner zu. Bisher wurden sie jedoch enttäuscht. Die stärkste Oppositionpartei bietet kaum eine Alternative, sondern bloß anderes Personal; einzig ihre Gegnerschaft zur LDP hält sie zusammen, meist zerfleischt sie sich selbst - auch derzeit wieder.

Große Parteien, die für eine bestimmte Politik stehen, gibt es in Japan nicht; Neugründung sind fast nur als Abspaltungen von bisherigen Parteien möglich. Damit schützt die Machtelite ihre Pfründe. Die Wichtigkeit der Frage, wer Merkels Koalitionspartner wird, erkennen die wenigsten Japaner. Die bei Staatsbesuchen beschworene Wertegemeinschaft zwischen Deutschland und Japan ist teilweise ein Missverständnis. Erst recht, seit Berlin nach Fukushima den Atomausstieg vorantreibt, die Abe-Regierung aber trotz der Atomkatastrophe und gegen den Willen einer Mehrheit der Bevölkerung an der Kernkraft festhält.

Von Christoph Neidhart

Seltene Demokratiemomente in Ägypten

Wenn Ägypten dieser Tage auf Deutschland blickt, übt es sich in selektiver Wahrnehmung: Am meisten Beachtung fand noch, dass der Chef der Suez-Kanal-Behörde mit einer Delegation in Berlin deutsche Investoren in die Freihandelszonen an der Wasserstraße locken würde. Die Bundestagswahl findet kaum Interesse, sie ist kein Diskussionsthema in den Cafés, Taxis oder auf der Straße.

Ohnehin geht man in Ägypten - die Regierung sowie die überschaubaren interessierten Kreise - ebenso wie in den meisten anderen Ländern der arabischen Welt davon aus, dass Angela Merkel Kanzlerin bleiben und sich nichts Grundlegendes ändern wird. In den Zeitungen in Kairo finden sich nur kürzere Notizen, und auch da geht es vor allem darum, zu demonstrieren, dass die Sicht des Regimes von Präsident Abdelfattah al-Sisi vermeintlich auch in Deutschland geteilt wird.

So berichteten einige Blätter über das TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz - fast ausschließlich unter dem Aspekt, dass beide ein Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verlangt hätten, die in Kairo wegen der Unterstützung der Muslimbruderschaft neben Katar als Hauptfeind betrachtet wird, auch wenn man munter weiter Produkte von dort importiert. Überdies wurde Merkels Kritik an der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar gemeldet. Auf die Frage, ob sie die Entscheidung für Katar gut finde, sagte sie: "Nicht so besonders gut." Den Besuch des Emirs in Berlin ignorierte man dagegen.

Es gibt Wahlnacht-Veranstaltungen in der deutschen Botschaft und im Goethe-Institut, eine intensive Auseinandersetzung mit dem deutschen Wahl- und Parteiensystem, den Spitzenkandidaten und den Parteiprogrammen findet vor allem an mehreren deutschen Auslandsschulen in Ägypten statt, die auch bei ägyptischen Familien sehr gefragt sind. Im Zuge der Juniorwahlen simulieren etwa die Schüler der Deutschen Schule Beverly Hills Kairo die Bundestagswahl.

Sie haben Wahlkabinen in den Farben der Deutschlandflagge gebaut, Wahllokale eingerichtet, Wahlzettel und -urnen bereitgestellt. Um sich zu informieren haben die Schüler Steckbriefe der Parteien erarbeitet und den Wahl-O-Mat genutzt. Gewählt wird an der Schule am Mittwoch. So viel Demokratie(-erziehung) ist in Ägypten selten.

Von Paul-Anton Krüger

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Von Katharina Brunner

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