Menschenrechte:EU berät über Sanktionen

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Die Außenminister der europäischen Union wollen, dass schwere Verletzungen von Menschenrechten besser geahndet und Täter individuell bestraft werden können. Treibende Kraft dahinter sind die Niederlande.

Von Matthias Kolb, Brüssel

70 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wollen die Außenminister der Europäischen Union über ein EU-weites Sanktionsregime beraten. Mit dem Instrument sollen schwere Menschenrechtsverletzungen geahndet und Täter individuell bestraft werden. Angetrieben wird das Projekt von der niederländischen Regierung, die im April vom Parlament in Den Haag aufgefordert wurde, sich für einen Mechanismus einzusetzen, der wirkungsvoller ist als nationale Maßnahmen.

Durch die Ermordung des Dissidenten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul hat das Thema an Brisanz gewonnen. Daher wollen die Niederländer in der Sitzung, die von der Außen- und Sicherheitsbeauftragten Federica Mogherini geleitet wird, darauf dringen, den Auswärtigen Dienst der EU mit der Ausarbeitung der Details zu beauftragen. Neunzig Nichtregierungsorganisationen wie Freedom House und Transparency International begrüßen dieses Sanktionsregime.

Dessen Ansatz umschreibt der niederländische Chefdiplomat Stef Blok so: "Wir können dafür sorgen, dass die Taten dieser Kriminellen auch Konsequenzen für sie haben. Sie können dann nicht mehr in die EU einreisen, um in Budapest, Rom oder Amsterdam zu shoppen oder Spitzenärzte in Paris zu besuchen." Auch Konten sollen gesperrt werden können. "Geographische Sanktionen" gegen ein einzelnes Land gelten als ungeeignet, um Täter zu bestrafen, deren Verbrechen - etwa sexuelle Gewalt als Kriegswaffe oder Menschenhandel - über Grenzen hinweg begangen werden. Als Vorbild gilt ein EU-Beschluss vom Oktober, wonach wegen des Einsatzes und der Entwicklung von Chemiewaffen leichter Sanktionen verhängt werden können. Anders als bei den "Magnitski-Gesetzen" in Kanada und den USA soll Korruption nicht geahndet werden - hierfür seien EU-Diplomaten zufolge Gerichte besser geeignet.

Bei einem nicht öffentlichen Seminar in Den Haag sprach sich Ende November kein EU-Mitglied gegen das Vorhaben aus, das einstimmig beschlossen werden muss. Unterstützung haben nicht nur Franzosen, Briten und die Skandinavier signalisiert, sondern auch Berlin: Das Auswärtige Amt teilte dies via Twitter mit. In seinem Werben für das Projekt zitiert Außenminister Blok gern Eleanor Roosevelt, die maßgeblich dazu beitrug, 1948 die Allgemeine Erklärung für Menschenrechte durchzusetzen und einst appellierte: "Tut das, was ihr für richtig haltet, denn kritisieren wird man euch so oder so." Genau dies ist seiner Regierung nun passiert. In einem offenen Brief nennen Parlamentarier aus 18 EU-Ländern, darunter auch EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU), den Vorstoß zwar "genau das, was wir brauchen". Sie kritisieren jedoch, dass das Gesetz nicht nach Sergej Magnitski benannt ist, um jenen russischen Anwalt zu ehren, der 2007 in einer Zelle verstarb, nachdem er einen riesigen Steuerbetrug aufgedeckt hatte. Der indirekte Vorwurf, die Niederlande kuschten vor Putin, wirkt jedoch unglaubwürdig: Neben Großbritannien plädiert kein westeuropäisches Land so oft für Härte gegenüber Moskau.

© SZ vom 10.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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