Wahl in Mecklenburg-Vorpommern:Abgebrannt in Kanzlerin-Land

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Übel für die CDU, katastrophal für die FDP: Schlimmer hätte die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern für die schwarz-gelben Koalitionäre kaum ausgehen können. Die Erosion der Regierung Merkel ist in vollem Gange. Doch bis zur Bundestagswahl sind es noch zwei Jahre. Das heißt auch für SPD, Linke und Grüne: So wie es ist, muss es nicht bleiben.

Thorsten Denkler, Berlin

Ein kleines Land hat gewählt: Knapp 1,4 Millionen Bürger waren in Mecklenburg-Vorpommern aufgerufen, zur Wahl zu gehen, nur etwas mehr als die Hälfte ist dem gefolgt. Doch das Ergebnis dürfte der schwarz-gelben Koalition in Berlin arges Kopfzerbrechen bereiten. Die Lehren aus der Wahl im Nordosten - für die Bundespolitik und die anstehende Wahl in Berlin.

[] SPD: Im Schlingerkurs auf der Siegstraße

Das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern ist ein klarer Sieg für die SPD. Daran gibt es nichts zu deuteln. Plus 5,5 Prozentpunkte und 35,7 Prozent der Stimmen geholt - das sind Werte, von denen die Partei jahrelang kaum zu träumen wagte. Im Siegestaumel hoffen manche jetzt auf Größeres: in zwei Wochen Berlin gewinnen und dann 2013 die Bundestagswahl. Manche sind sich schon sicher, dass es genau so kommen muss.

Doch der Blick auf das Superwahljahr zeigt: Die SPD mag auf der Siegerstraße sein, fährt hier aber einen gehörigen Schlingerkurs. In Hamburg hat Olaf Scholz es allen gezeigt. Mehr als 14 Prozentpunkte zugelegt und die absolute Mehrheit geholt. In Sachsen-Anhalt dann bei miesen 21,5 Prozent nicht gewonnen und nicht verloren. In Rheinland-Pfalz ein radikaler Einbruch: Minus zehn Prozentpunkte. Ministerpräsident Kurt Beck verliert die absolute Mehrheit und rettet sich in eine Koalition mit den Grünen. In Baden-Württemberg wieder Verluste, minus 2,1 Prozentpunkte auf schlechte 23,1 Prozent. Nur dank der starken Grünen ist ein Regierungswechsel dort möglich. Dann wieder ein anderes Bild, leichte Gewinne in Bremen. Dort bleibt die SPD mit mehr als 38 Prozent stärkste Kraft.

Es ist ein durchwachsenes Bild. In den Umfragen im Bund schafft es die SPD nicht über die 30-Prozent-Marke. Die demoskopische Mehrheit für Rot-Grün ist da, aber nur knapp. Die Sozialdemokraten müssen aufpassen, dass sie sich nicht zu siegessicher fühlen. Sonst landen sie zwar am Ende in der Regierung, doch im Kanzleramt sitzt immer noch Angela Merkel.

[] CDU: Abgebrannt in Kanzlerinnen-Land

Mecklenburg-Vorpommern ist ein kleines Land. Nicht einmal 1,4 Millionen Wahlberechtigte waren hier zur Wahl aufgerufen, kaum mehr als die Hälfte hat tatsächlich gewählt. Da könnte sich die CDU jetzt zurücklehnen und sagen: Na ja, das ist ein kleines Land, da kann man schon mal 5,7 Prozentpunkte verlieren. Außerdem reicht es wohl, um in der Regierung zu bleiben.

Kann man so sehen. Kann man aber auch anders sehen. Mecklenburg-Vorpommern ist Kanzlerinnen-Land. Hier hat Angela Merkel ihren Wahlkreis. In diesem Wahlkampf hat sie sich besonders stark engagiert. Die Landtagswahl war auch eine Angela-Merkel-Testwahl. Die hat sie vergeigt.

Die Botschaft für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin lautet: Eine Mehrheit hat genug von ihr. In zwei Wochen wird in Berlin das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Die Botschaft, die von dem Wahlgang ausgehen wird, dürfte sich kaum von der in Mecklenburg-Vorpommern unterscheiden.

Kanzlerin Merkel findet kein Mittel gegen den Wählerschwund, die FDP sackt in sich zusammen wie ein Heißluftballon, dem das Gas ausgegangen ist. Die Aussichten für den Machterhalt 2013 sind düster.

[] Linke: Erfolg ohne Folgen

Die Linke hat in Mecklenburg-Vorpommern 18,4 Prozent geholt und damit sogar noch 1,6 Prozentpunkte hinzugewonnen. Trotz Kommunismusdebatte, trotz Porsche-Klaus, trotz der Glückwünsche an Fidel Castro und trotz des teilweise offenen Streits zwischen den Flügeln der Partei.

Das ist erstaunlich, aber weiterhelfen wir es der Partei nicht, denn für einen Platz auf der Regierungsbank wird es wohl nicht reichen. SPD-Spitzenmann Erwin Sellering wird wohl die Koalition mit der CDU fortsetzen. Das liegt auch daran, dass sich die Linke derzeit mehr wie ein zerstrittener Hühnerhaufen präsentiert, denn als geschlossene Kraft.

Im Bund ist noch immer nicht klar, ob die Linke überhaupt regieren will. Ihr großer Rivale, die SPD, fährt inzwischen ganz gut damit, diese Frage und überhaupt die ganze Partei zu ignorieren. Diese Ignoranz ist Gift für die Linke. Sie braucht die Reibung mit der SPD, um erfolgreich zu sein.

Bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin in zwei Wochen könnte es der Linken passieren, dass Klaus Wowereit sich lieber den erstarkten Grünen zuwendet, als mit den Linken noch eine weitere Legislaturperiode anzugehen. Nach dem rasanten Aufstieg unter Oskar Lafontaine droht jetzt der stete Niedergang. Die Zeiten, da die Linke eine ernstzunehmende Option war, sind vorbei. Dafür hat sie selbst gesorgt.

[] Grüne: Dem Himmel so nah

Sie haben es geschafft: Die Grünen sind in allen 16 Landtagen vertreten und im Bund sowieso. Das gab es noch nie. Wieder feiern die Grünen mit der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern einen historischen Sieg.

Noch kommt die Partei da nicht ganz mit: Die hohen Umfragewerte, ein grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Seit Jahren geht es nur noch nach oben, weit nach oben, so hoch, dass einem schwindelig werden könnte. Die Grünen sind dem Himmel so nah, dass sie langsam Sorgen haben, wie Ikarus auf seinem Flug Richtung Sonne wieder abzustürzen.

Wie schnell Hoffnungen schwinden können, zeigt sich gerade in Berlin. Ende 2010 ist Renate Künast angetreten, um Regierende Bürgermeisterin von Berlin zu werden. Nach dem Sieg von Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg schien alles möglich zu sein. Jetzt aber liegen die Grünen weit hinter der SPD. Würden die Grünen auf 20 Prozent kommen, würde das als Niederlage gewertet werden, obwohl das ein sensationelles Ergebnis für die Grünen wäre.

Der Erfolg macht den Grünen bei aller Freude zu schaffen. Viele schöne Forderungen werden gerade über Bord geworfen, weil sie dem Realitätscheck nicht standhalten. Das sorgt für Spannungen, die sich die Partei nicht leisten kann. Bis zur Bundestagswahl sind es noch zwei Jahre. Eine lange Zeit in der Politik. Bis dahin wird die Frage entschieden sein, aber die Grünen gerade nur ein Hoch erleben, oder ob sie nachhaltig für die bessere Alternative gehalten werden.

[] FDP: "Generell verschissen"

Der Absturz ist gewaltig. Sogar für FDP-Verhältnisse. In Mecklenburg-Vorpommern sind die Liberalen nicht nur aus dem Landtag geflogen. Mit 2,7 Prozent ist die FDP zu einer Partei geworden, die auch unter "Sonstige" geführt werden könnte.

Es wäre zu einfach, dieses Debakel auf die Personalquerelen im Landesverband zu schieben. Die Probleme liegen tiefer. Außer dem Überraschungserfolg von Hamburg hat die FDP in diesem Jahr alles verloren, was es zu verlieren gab. Sie verliert die Regierungsbeteiligung in ihrem Stammland Baden-Württemberg und in vier Ländern ihre parlamentarische Existenz. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, werden sich auch die Berliner Liberalen nach der Abgeordnetenhauswahl in zwei Wochen in der außerparlamentarischen Opposition wiederfinden.

Völlig ratlos stehen die Liberalen vor einem monströsen Scherbenhaufen. Sie wissen nicht, was ihnen noch helfen kann. Sie haben den Parteivorsitzenden ausgewechselt, versuchen, sich als Verteidiger eines harten Euro zu profilieren, haben ihren Ton gemäßigt. Nichts hilft. Philipp Rösler scheint die Leute genauso wenig zu überzeugen wie Guido Westerwelle.

Wolfgang Kubicki, der streitbare Freidemokat aus Schleswig-Holstein, dürfte recht haben, wenn er sagt, die FDP habe inzwischen bei den Bürgern als Marke "generell verschissen".

Die Partei verliert nicht nur Wahlen, sie hat ihre Identität, ihre Glaubwürdigkeit, ihr Selbstvertrauen verloren. Sie kann nur hoffen, dass sie sich soweit stabilisiert, dass sie 2013 den Sprung in den Bundestag schafft. Gelingt dies nicht, wäre das wohl das Todesurteil für die einst so stolze Partei.

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