30 Jahre nach dem Mauerfall:Demokratien in Gefahr

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30 Jahre nach dem Mauerfall sehen in Deutschland 52 Prozent der Menschen die Demokratie in Gefahr. (Foto: dpa)
  • Die Menschen in Mittel- und Osteuropa sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Errungenschaften der friedlichen Revolutionen von vor 30 Jahren.
  • Demnach sehen selbst in Deutschland 52 Prozent der Menschen die Demokratie in Gefahr.
  • Die Zahlen zeigten deutlich, dass "die Menschen sich Sorgen um den Zustand und die Zukunft unserer demokratischen Errungenschaften machen", sagt ein Analyst.

Von Daniel Brössler, Berlin

30 Jahre nach dem Fall der Mauer sorgen sich die Menschen in Mittel- und Osteuropa um die Errungenschaften der damaligen friedlichen Revolutionen. Das ist das Ergebnis einer im Auftrag der Open Society Foundations in sieben Ländern Mittel- und Osteuropas durchgeführten Umfrage, die an diesem Montag veröffentlicht wird. Demnach sehen selbst in Deutschland 52 Prozent der Menschen die Demokratie in Gefahr. Noch deutlich pessimistischer beurteilen die Bürger in mehreren anderen Ländern die Lage. In der Slowakei sehen 61 Prozent, in Ungarn und Rumänien 58 Prozent und in Bulgarien 56 Prozent der Bürger die Demokratie in ihren Staaten als bedroht an.

Quer durch den einstigen Ostblock hegen die Menschen der Umfrage zufolge große Zweifel an der Nachhaltigkeit zentraler Errungenschaften der Revolutionen vor 30 Jahren. So sehen in Bulgarien 74 Prozent der Menschen den Rechtsstaat in Gefahr. In der Slowakei und Rumänien sind es mit 70 beziehungsweise 68 Prozent nicht viel weniger. In Polen und Ungarn teilen 64 beziehungsweise 59 Prozent diese Sorge. Gegen beide Länder laufen Rechtsstaatsverfahren in der EU. Auch in Deutschland sehen immerhin 49 Prozent der Befragten eine Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit.

Die Zahlen zeigten deutlich, dass "die Menschen sich Sorgen um den Zustand und die Zukunft unserer demokratischen Errungenschaften machen", sagt Götz Frommholz, Analyst der Open Society Foundations. Beunruhigend seien vor allem die Ergebnisse in Deutschland. "Das ist für ein so stabiles Land wie Deutschland 30 Jahre nach dem Mauerfall ein alarmierendes Signal - auch wenn die Lage in osteuropäischen Ländern zum Teil noch dramatischer ausfällt", warnt er. In der Umfrage des britischen Instituts Yougov wird nicht zwischen Ost- und Westdeutschland unterschieden. Befragt wurden im Auftrag der vom Philanthropen George Soros gegründeten Open Society Foundations 13 000 Bürger in sieben Ländern.

Die Zahlen zeigen ungeachtet großer Wahlerfolge der nationalistischen Parteien Fidesz und PiS in Ungarn und Polen ein weit verbreitetes Misstrauen gegenüber diesen Regierungsparteien. Eine Mehrheit in beiden Ländern hält es für gefährlich, die Regierenden öffentlich zu kritisieren. In Ungarn fürchten 63 Prozent der Befragten in so einem Fall negative Konsequenzen, in Polen sind es 55 Prozent.

Vielerorts ist auch das Vertrauen in die Freiheit und Fairness von Wahlen verloren gegangen. Das ist etwa in Bulgarien so, wo 76 Prozent diese Kriterien nicht mehr als erfüllt ansehen. In Deutschland zweifelt jeder Fünfte an freien und fairen Wahlen. Weit verbreitet ist die Kritik an den "Mainstream-Medien". In allen untersuchten Ländern außer Deutschland äußert eine Mehrheit ihnen gegenüber Misstrauen. Deutlich ausgeprägter ist allerdings in allen Staaten das Misstrauen gegenüber Informationen, die von der Regierung verbreitet werden. Am negativsten fällt das Urteil in der Slowakei aus, wo 72 Prozent Regierungsinformationen misstrauen.

Positiv heben die Macher der Studie das länderübergreifend hohe Ansehen für Nicht-Regierungsorganisationen und die starke Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement hervor.

© SZ vom 04.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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