Marketing:Branding statt Alchemie

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Kann man den Namen für eine ganze Produktkategorie prägen? Ja, behaupten Marketingstrategen, man brauche nur ein paar klare Regeln zu befolgen. Haben sie recht?

Von Michael Kläsgen

Üblicherweise denkt niemand darüber nach, wie die Dinge in die Welt gekommen sind, wenn er im Laden Uhu, Nutella oder Tipp-Ex kauft. Oder irgendein anderes Produkt, dessen Name für eine ganze Produktkategorie steht. Wird wohl irgendwie irrsinniges Glück gehabt haben, der Hersteller, und zur richtigen Zeit das richtige Gespür gehabt haben. Wahrscheinlich war er der Erste, der den Markt entdeckte und ihn dann gleich besetzte. So könnte man sich das jedenfalls erklären: alles eine glückliche Fügung von Zufällen.

Sybille Kircher hingegen sagt: "Nein, man kann das machen." Man kann ein Produkt kreieren, das dann wie Uhu zum Synonym für Klebstoff wird, wie Nutella für Schokonuss-Aufstriche oder Tipp-Ex für Korrekturflüssigkeit. Die Chefin der Düsseldorfer Agentur Nomen - ein Beratungsunternehmen, das sich der Entwicklung von Markennamen verschrieben hat - sagt sogar, es gebe klare Regeln, wie man ein solches Produkt samt Namen schaffen könne. Als Erstes: den Markt im Detail sondieren, dann die Bedürfnisse der Kunden erforschen und definieren, schließlich das Produkt exakt darauf ausrichten, um die Nachfrage möglichst vieler potenzieller Kunden zu wecken. Das lasse sich natürlich nicht mit dem 101. Produkt einer Kategorie bewerkstelligen. Es gehe aber auch nicht um die "absolute Innovation". Es komme darauf an, die Nische zu finden. Dann seien die Gesetze des Marketing ganz einfach, sagt Kircher.

Klingt simpel. "Es gelingt letztendlich aber nur den wenigsten, zum Synonym für eine ganze Produktkategorie zu werden", fügt Franz-Rudolf Esch hinzu, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung der EBS Business School in Oestrich-Winkel. Von den vielen vergeblichen Versuchen, eine Weltmarke zu etablieren, redet ja keiner. Die Namen der Gescheiterten sind in Vergessenheit geraten. Geld allein reiche jedenfalls nicht aus, um eine ikonische Marke zu schaffen, sagt Esch. Erforderlich sei vielmehr "eine Intelligenz des Brandings": die Kunst, schnell Aufmerksamkeit zu erzeugen und die Spannung über lange Zeit auf hohem Niveau zu halten. Die Vollendung sei gewissermaßen, die einmal geschaffene "dominante Markenstellung" klug auszuspielen. Also alles doch nicht so einfach, sondern eher ein bisschen Alchemie?

Kurz, griffig, prägnant - so muss der Name sein, soll das Produkt sich verkaufen

Zu den richtigen Zutaten gehört natürlich der richtige Name. Kurz, griffig, prägnant müsse er sein. Und sich leicht in den Plural oder zum Verb umformen lassen. Derlei fördere die "Verselbständigung", sagt Kircher. Die englische Sprache sei da im Vorteil, die kurzen Wörter ließen sich oft eindeutschen: skypen, googeln, surfen. Aber gute Beispiele finden sich auch im Deutschen: röntgen, flexen, föhnen.

Der Föhn ist zugleich das Stichwort für den Fluch, der sich über Weltmarken legen kann. Er macht Firmen zum Opfer ihres eigenen Erfolgs. Dann, wenn sich der Markenname so sehr verselbständigt, dass darüber der Hersteller, nicht aber die Produktkategorie vergessen wird. Heute weiß kaum mehr einer, dass die einst stolze Berliner Firma AEG die Rechte an der Marke "Fön" hielt, Fön ohne "h". Dabei war AEG genau das gelungen, wovon viele Unternehmer träumen. Der Föhn ist in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und zur Vokabel für Haartrockner geworden. Doch heute denkt niemand mehr an AEG, wenn er sich die Haare föhnt. Die Firma ist seit mehr als 20 Jahren pleite. Google dagegen ist weit davon entfernt, unter Geldnöten zu leiden. Aber irgendwann wird auch der US-Konzern die Markenrechte am Begriff "googeln" verlieren, sagt Kircher. Und wer weiß, ob dann im Duden als Definition noch "mit Google im Internet suchen" stehen wird. Längst kann man mit den Suchmaschinen etlicher Konkurrenten online herumsuchen.

Spannend ist deswegen die Frage, wie lange eine Marke von ihrer extremen Bekanntheit profitieren kann und wann es ins Gegenteil umschlägt: wann also der Segen zum Fluch wird. Der Hersteller, sagt Kircher, habe in der Regel sehr viel Geld in seine Marke investiert, um sie zum Strahlen zu bringen. Doch wenn der Kunde am Ende zwar Föhn sage, aber irgendeinen Haartrockner kaufe, "ist das viele Geld verpufft".

© SZ vom 26.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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