Malaysia:Aufbruch mit 94 Jahren

Lesezeit: 2 min

Nach seinem überraschenden Rücktritt will Premier Mahathir Mohamad neu starten. Er schmiedet bereits neue Bündnisse und könnte mächtiger werden als zuvor.

Von Arne Perras, Singapur

Mahathir Mohamad ist ein Politiker, der seinesgleichen sucht, nicht nur wegen seines Alters von 94 Jahren. Es gibt niemanden im Vielvölkerstaat Malaysia, der über so viel Autorität und Gefolgschaft verfügt wie er. Und es scheint, dass er noch immer alle Hebel im Cockpit souverän beherrscht. Am Montag tat er einen überraschenden Schritt, auf den ersten Blick wirkte es wie ein Notmanöver. Mahathir reichte abrupt seinen Rücktritt vom Amt des Premiers beim Sultan ein und versetzte sein Land in Unruhe.

Wollte er wirklich gehen? Er, der es 2018 geschafft hatte, den korrupten Najib Razak, mutmaßlich einer der größten Betrüger im Staatsamt, aus dem Amt zu hebeln. Mitte der Woche zeichnet sich nun ab: dies war ein kalkulierter Schritt des 94-Jährigen. Er hat durch seinen Blitzrückzug die bestehende Allianz im Parlament, wie sie mit dem Wahlbündnis Pakatan Harapan (PH) 2018 festgezurrt wurde, aufgebrochen und baut mit seinen Getreuen nun im Hintergrund eine neue Koalition aus den Fraktionen zusammen. Politik-Lego, und der Baumeister heißt: Mahathir.

Malaysias Premier Mahathir soll so lange im Amt bleiben, bis eine neue Regierung steht. Wie es aussieht, will der 94-Jährige auch danach an der Macht bleiben. (Foto: Harry Salzman/dpa)

Damit entzieht er sich den ständigen Querelen, die Pakatan Harapan seit dem Sieg belasteten und es schwer machten zu regieren. Die auffälligste Folge des Manövers aber dürfte sein: Mahathirs designierter Nachfolger Anwar Ibrahim ist ins Abseits geraten, die Chancen sinken, dass er noch Premier werden kann, auch wenn seine Anhänger ihn am Mittwoch als Kandidaten nominierten.

Zwar hatten beide Politiker zur Wahl eine Abmachung, Anwar sollte Mahathir folgen, spätestens 2020. Doch Mahathir machte immer wieder Andeutungen, dass dies womöglich nicht zu halten sei. Nun steht es nicht gut um Anwars Aussichten. Es ist nicht das erste Mal, dass er im Machtkampf mit Mahathir unterliegt, er verlor deswegen sogar für viele Jahre seine Freiheit, wurde wegen Homosexualität verurteilt, ein Verfahren, hinter dem viele Malaysier eine politische Intrige sahen, vorangetrieben durch Mahathir, der das Land eisern von 1981 bis 2003 regierte und dann noch einmal 2018 zurückkehrte, um Najib Razak aus dem Amt zu drängen, den er als Schande für Malaysia betrachtete.

"Nun ist Mahathir nicht mehr an den Nachfolgepakt gebunden", sagt der Politologe Ahmad Marthada dem Fernsehsender Channel News Asia. "Keiner kann ihn zu irgendeiner Vereinbarung der Nachfolge zwingen, er kann neu starten." Aufbruch im Alter von 94 Jahren? Marthada sagt, dass der Zustand Malaysias, in Zeiten ökonomischer Schwierigkeiten und der Verbreitung des Coronavirus, einen erfahrenen Anführer ersehne. Und der heiße eben: Mahathir Mohamad.

Anwar Ibrahim sollte dem 94-jährigen Mahathir Mohamad als Premier nachfolgen. An dieses Versprechen fühlt sich Mahathir nach seinem Rückzug nicht mehr gebunden. (Foto: Vincent Thian/AP)

Zur politischen Überlebenskunst des 94-Jährigen kommt ein weiterer Faktor, der die Umwälzungen vorangetrieben hat. Es sind die politischen Kräfte der malaiischen Mehrheit im Land, die es verstanden haben, das alte Wahlbündnis Pakatan Harapan als eines darzustellen, in dem angeblich die Minderheit ethnischer Chinesen die Fäden zog. Wie der Politikwissenschaftler James Chin von der University of Tasmania schreibt, sei dieser Eindruck falsch, aber er mobilisiert doch jene Kräfte, die eine malaiische Dominanz einfordern. Und sie scharen sich nun um jenen Mann, dem sie die Fähigkeit zuschreiben, all diese Fraktionen zusammenzuhalten.

Mahathir wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein neues, womöglich größeres Bündnis führen. Solange Nicht-Malaien keine Chance bekommen, als ebenbürtige politische Partner in Malaysia anerkannt zu werden, dürfte das System nie volle Stabilität entwickeln, warnt Chin. Ein Ende der Macht Mahathirs aber ist vorerst nicht absehbar. Politisch könnte er jetzt noch stärker werden als zuvor.

© SZ vom 27.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: