Machtkampf an der Elfenbeinküste:Ein Phantom gräbt sich ein

Im blutigen Machtkampf um die Elfenbeinküste lässt der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo Siegesparolen verkünden. Sicherheitshalber verschanzt er sich aber an einem unbekannten Ort.

Arne Perras

Es war, als jagten sie nach einem Phantom: Die Soldaten des international anerkannten Präsidenten Alassane Ouattara belagerten am Freitag die Residenz und den Dienstsitz von Laurent Gbagbo in der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Sie nahmen offenbar nahezu die ganze Stadt ein und versuchten, den Machthaber militärisch in die Knie zu zwingen. Gbagbo weigert sich seit vier Monaten, den Amtssitz zu räumen, obwohl er die Wahl im November 2010 verloren hat. Doch niemand schien am Freitag genau zu wissen, wo sich Gbagbo verschanzt.

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Laurent Gbagbo bei einem Fernsehinterview am 11. Januar 2011.

(Foto: AFP)

Frankreichs Botschafter vermutete, Gbagbo befinde sich nicht in seiner Residenz, sondern vielmehr in seinem Amtssitz. Sicher war am Nachmittag nur eines: Für Gbagbo wird die militärische Lage immer bedrohlicher. Seine Sicherheitskräfte kontrollieren nur noch wenige Viertel in der Vier-Millionen-Metropole Abidjan.

Der Kampf um Abidjan markiert ein weiteres düsteres Kapitel im Drama um das gescheiterte Wahlexperiment im Westen Afrikas. Die demokratische Abstimmung sollte dem Land nach Jahren der Spaltung Frieden und Versöhnung bringen. Stattdessen mündete sie in erneute Gewalt, die am Freitag weiter eskalierte.

Ouattara, der die Wahlen im November gewonnen hatte, schloss Verhandlungen mit dem belagerten Gegner in letzter Minute aus. "Wir haben die Möglichkeiten friedlicher Gespräche ausgeschöpft", sagte sein Sprecher Patrick Achi. Ouattaras Lager will die Wende nun unbedingt militärisch erzwingen, um die "Demokratie wieder herzustellen".

Augenzeugen in Abidjan berichteten seit Donnerstagnacht von Gefechten in mehreren Stadtteilen, weitere Truppen Ouattaras zogen im Laufe des Tages in der umkämpften Metropole ein, um den Druck auf den Gegner zu erhöhen. Ouattara ordnete nach Angaben seines Außenministers Jean-Marie Kacou-Gervais die Schließung der Landesgrenzen und des wichtigsten Flughafens an. Dadurch solle verhindert werden, dass Gbagbo und seine Gefolgsleute das Land verlassen. "Gbagbos innerer Kreis versucht, davon zu rennen, aber sie werden es nicht können", sagte Kacou-Gervais.

Es häuften sich Hinweise auf weitere reguläre Truppen, die Gbagbo angesichts einer drohenden Niederlage die Treue aufgekündigt haben. Sie flohen oder liefen zu Ouattara über. Tags zuvor hatte schon der Armeechef mit seiner Familie Zuflucht in der südafrikanischen Botschaft gesucht. Aus Angst vor den schweren Gefechten und dem Beschuss mit Granaten wagten sich die Bewohner Abidjans nicht mehr aus ihren Häusern.

Die Furcht vor einer letzten, besonders brutalen Schlacht um die Metropole wächst, je länger sich Gbagbo weigert, seine Niederlage einzugestehen und den Weg für Ouattara freizugeben. Unklar blieb, wie lange sich der belagerte Gbagbo mit dem verbliebenen harten Kern seiner Truppen noch halten würde. Es waren vor allem seine Garde und Teile der Jugendmiliz, die ihm bislang die Treue bis zum Ende schworen. Manche von ihnen behaupteten, sie gingen für ihren Präsidenten bis in den Tod. Am Freitagmorgen waren immer noch Durchhalteparolen aus Gbagbos Lager zu vernehmen.

In den dramatischen Stunden des militärischen Showdowns versuchten Akteure beider Seiten, sich durch Propaganda taktische Vorteile zu sichern. Die Ouattara-Fraktion hatte bereits am Donnerstag davon gesprochen, dass es mit Gbagbo in "zwei, drei Stunden vorbei ist". Am Tag darauf allerdings war Gbabgo noch immer nicht besiegt. Die Kämpfe konzentrierten sich anfangs auf seine Residenz und auf die nahe gelegene staatliche Fernsehstation, die noch in der Nacht zum Freitag ihre Sendungen gestoppt hatte.

Zunächst blieb unklar, ob Ouattaras Truppen sie tatsächlich erobert haben. Am Mittag Ortszeit erklärte der Außenminister Gbabgos, Alcide Djédjé, dass die TV-Station wieder unter ihrer Kontrolle sei. Er forderte Ouattara erneut zu Gesprächen unter dem Schirm der Afrikanischen Union auf: "Lasst uns nach Addis Abeba gehen und dort weitersehen." Djédjé versicherte außerdem: "Gbagbo geht es gut." Der Getreue vermied allerdings jede Zusage, dass Gbagbo nun die Macht abgeben werde, wie es die Afrikanische Union erneut am Freitag gefordert hatte.

Ouattaras Sprecher Patrick Achi erhob indes schwere Vorwürfe gegen Gbagbo. "Ihm sollte vor dem Internationalen Strafgerichtshof der Prozess gemacht werden", forderte er. "Das ist das Einzige, was er verdient". Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte bestätigte Tötungen von Zivilisten durch Gbagbo-treue Milizen, die sich täglich fortsetzten.

Gleichzeitig aber verwies das OHCHR auch auf alarmierende Berichte über die Gegenseite, also die bewaffneten Kräfte Ouattaras. Demnach sind die vorrückenden "Republikanischen Kräfte", die ihm zur Macht verhelfen wollen, für Plünderungen, Erpressungen, Misshandlungen von Zivilisten, willkürliche Festnahmen verantwortlich.

Das OHCHR verwies darauf, dass Verbrechen aller Seiten untersucht würden und dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sein Auge auf die Elfenbeinküste gerichtet habe. Amnesty International, forderte sofortige Schritte, um die Bevölkerung zu schützen. Die UN haben eine Blauhelmtruppe in der Elfenbeinküste stationiert, die jedoch alleine nicht in der Lage ist, Sicherheit für die Bevölkerung zu garantieren.

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