Luftfahrt:Der Preis der Lufthansa-Rettung

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Die Staatshilfe für die Lufthansa wird Folgen für das gesamte Luftfahrt-Geschäft haben. (Foto: AFP)

Es ist richtig, dass die Bundesregierung dem Unternehmen in der Krise beispringt. Doch die Auswirkungen auf den Luftfahrtmarkt sind bedenklich.

Kommentar von Jens Flottau

Am Ende hat also auch Lufthansa-Großaktionär Heinz Hermann Thiele der Bundesregierung per Interview die Genehmigung erteilt, Deutschlands größte Fluggesellschaft retten zu dürfen. Er stößt sich zwar weiter daran, dass der Staat für seine neun Milliarden Euro auch irgendwie den Anschein erwecken will, als könne er bei dem Unternehmen mitreden, obwohl das Arrangement de facto etwas anderes sagt. Aber gut: Selbst Thiele stimmte nun bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Unternehmens an diesem Donnerstag für die Hilfen und sorgte so für die nötige Mehrheit unter den Aktionären. Lufthansa geht somit nicht in die Insolvenz und hat ein wenig Luft und Zeit gewonnen, um sich auf den Weg aus der Corona-Krise zu machen.

Thieles Attitüde gegenüber dem Staat, der auch das Lufthansa-Management in Teilen zugewandt ist, hat etwas Absurdes. Sein Aktienpaket ist überhaupt nur deswegen noch etwas wert, weil der Staat seine Bereitschaft zur Hilfe erklärt hat. Und die Lufthansa ist in Berlin und bei der Europäischen Union in Brüssel immer wieder so selbstbewusst aufgetreten, dass sich mancher gefragt hat, wer hier eigentlich etwas von wem will. Es gab aber nie einen wirklichen Anspruch darauf, vom Bund gerettet zu werden, und in gewisser Weise ist das Milliardenpaket auch problematisch, nur halt nicht in der Weise, wie dies das Unternehmen meint.

Lufthansa-Rettung
:"Wir packen das"

Die Lufthansa-Aktionäre stimmen der staatlichen Milliardenrettung mit großer Mehrheit zu. Erste Konkurrenten kündigen schon an, gegen den Staatseinstieg klagen zu wollen.

Von Caspar Busse und Jens Flottau, Frankfurt

Die Erfahrung in der Luftfahrtbranche zeigt: Lücken, die durch Pleiten gerissen werden, sind immer schnell gefüllt worden. Wer erinnert sich in den Vereinigten Staaten noch an die Unternehmen Pan American oder Trans World Airlines (TWA)? Welcher Kunde vermisst in Deutschland noch Air Berlin, die noch vor drei Jahren Lufthansas größter Konkurrent im Land war? Genau, niemand, weil sich viele andere Airlines auf den Markt gestürzt haben, sodass schon wenige Monate nach dem Ende von Air Berlin wieder mehr Kapazität vorhanden war als zuvor. Dass die neuen Anbieter damit insgesamt höhere Verluste gemacht haben als Air Berlin selbst, ist einerseits nur eine Groteske am Rande, zeigt aber andererseits auch, wie irrational das Geschäft in dieser Branche immer noch ist.

Nun ist Lufthansa viel größer, als Air Berlin jemals war, ihr Ende wäre problematischer, und es hätte länger gedauert, die Lücke zu füllen. Nur: Lufthansa wäre auch bei einem Schutzschirmverfahren, einem Sonderfall des Insolvenzrechts, sowieso nicht vom Markt verschwunden. Der Vorstand hat die Möglichkeit eine Weile sogar ernsthaft in Erwägung gezogen, sie dann aber als zu brutale Lösung wieder verworfen.

Laut einer Übersicht des Branchenverbandes International Air Transport Association (IATA) pumpen etliche Staaten derzeit ungeheure Summen in ihre Airlines. Es sind insgesamt seit März mehr als 120 Milliarden Dollar. Die Regierungen sorgen damit dafür, dass Unternehmen, die sie für unverzichtbar halten, erhalten bleiben. Allerdings profitieren in der Regel nur Airlines in Ländern, die sich die Hilfen leisten können. Sie sind deswegen ungleich verteilt und bewirken einen massiv verzerrten Wettbewerb.

Das Rettungspaket für die Lufthansa entspricht laut IATA ungefähr 19 Prozent ihrer Ticketumsätze des Jahres 2019. Zum Vergleich: Selbst die Hilfen für die chronisch subventionierte Alitalia entsprechen nur fünf Prozent. Griechenland unterstützt seine Airlines mit gerade einmal 0,4 Prozent des letztjährigen Umsatzes. Manch anders Land tut nichts, und genau dort gibt es die Insolvenzen: Latam Airlines (Chile), Avianca (Kolumbien), Virgin Australia.

Die Europäische Kommission hat die Problematik erkannt und versucht, die Folgen wenigstens ein bisschen einzudämmen. Sie will der Lufthansa einige Start- und Landezeiten an den Hauptstandorten Frankfurt und München nehmen, um sie an Konkurrenten verteilen zu können. Das Mittel hat sich zwar schon in der Vergangenheit als wenig bis gar nicht tauglich erwiesen, weil aus guten Gründen kaum einer es gewagt hat, die Marktführer an deren Drehkreuzen anzugreifen; aber immerhin, es ist besser als nichts.

Dass der deutsche Staat nun mithilft, ist aus anderen als reinen Marktgründen nachzuvollziehen. Anders als Air Berlin war Lufthansa vor Corona ein gesundes Unternehmen, das allerdings finanziell nicht ausreichend für Krisen vorgesorgt hatte. Die staatlich verordneten Reisebeschränkungen haben dem Unternehmen die Geschäftsgrundlage entzogen, wobei dies auch für Hoteliers, Kneipenbesitzer oder Friseure gilt, die zuletzt ihre Betriebe wegen Corona zeitweise schließen mussten. Die Bundesregierung setzt hier nun konkret um, was sie zu Beginn der Pandemie versprochen hat, nämlich, dass sie versuchen wird, die wirtschaftlichen Folgen zu dämpfen. Davon profitieren natürlich zunächst die Mitarbeiter, aber auch das ganze wirtschaftliche System rund um die Lufthansa - Lieferanten, Flughäfen, Flugzeughersteller.

© SZ vom 26.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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