Luftangriff in Afghanistan:Schwere Vorwürfe gegen Oberst Klein

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Keine Warnung für Zivilisten: Oberst Klein, der den Luftangriff auf entführte Tanklaster angeordnet hat, soll schwere Fehler begangen haben.

Bei dem tödlichen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen in Afghanistan hat der deutsche Isaf-Offizier Georg Klein nach einem Spiegel-Bericht offenbar schwere Fehler begangen.

Ordnete den folgenreichen Luftschlag an: Oberst Georg Klein (Foto: Foto: dpa)

So hab der Oberst es anscheinend abgelehnt, die Menschenansammlung bei den entführten Tanklastwagen vor einem unmittelbar bevorstehenden Luftschlag zu warnen, berichtet das Magazin.

"Show of Force"

Die Besatzung der amerikanischen F-15-Jagdbomber hatte den deutschen Oberst und seinen Fliegerleitoffizier in Kundus demnach gefragt, ob sie mit ihren Jets nicht zunächst im Tiefflug über die Tanker donnern sollten. Eine solche Demonstration der Stärke - "Show of Force" genannt - hätte möglicherweise Taliban-Kämpfern, aber auch Zivilisten eine Chance zur Flucht gegeben.

Klein habe dies abgelehnt, so das Magazin.

Auch die Frage der Piloten, ob eine akute Bedrohung vorliege und die eigenen Truppen Feindberührung hätten ("troops in contact"), habe der Oberst mehrfach durch seinen Fliegerleitoffizier bestätigen lassen - ein Umstand, der offenbar nicht den Tatsachen entsprach.

Kein Kommentar aus dem Verteidigungsministerium

Dem Bericht zufolge waren nach derzeitigem Kenntnisstand keine Truppen aus dem Feldlager in Kundus ausgerückt, um die Lage im etwa sechs Kilometer entfernten Flussbett zu erkunden, in dem sich die Tanker bereits Stunden vor dem Luftangriff festgefahren hatten.

Bei dem Luftangriff wurden laut einem afghanischen Untersuchungsbericht 99 Menschen getötet, darunter 30 Zivilisten.

Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr und das Bundesverteidigungsministerium wollten die Vorwürfe gegen Oberst Klein zunächst nicht kommentieren. "Wir warten, bis wir die offiziellen Berichte der Nato und der Isaf vorliegen haben", sagte ein Sprecher des Ministeriums zu sueddeutsche.de.

Ähnlich hatte sich zuvor bereits Deutschlands ranghöchster Soldat geäußert: Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan wandte sich gegen Spekulationen rund um den Luftangriff. "Wir sollten jetzt wirklich die Kraft aufbringen, den Untersuchungsbericht (der Nato) abzuwarten", sagte Schneiderhan in einem Interview, das bereits am Freitag auf der Bundeswehr-Homepage veröffentlicht wurde.

155 Punkte auf der Mängelliste

"Ich bin überzeugt, dass die Untersuchung professionell´stattfindet", sagte der Vier-Sterne-General. "Wir müssen uns aber auch darauf einstellen, dass dabei Einzelheiten festgestellt werden, die von uns weitere Antworten verlangen." Die Diskussionen in Deutschland über den Angriff verwirre die deutschen Soldaten im Einsatz teilweise. "Sie wünschen sich, dass wir ihnen moralische Unterstützung geben."

Bei seinem Besuch in Afghanistan habe er klargestellt, dass die Fakten aufgeklärt und die Vorgänge untersucht werden müssten. "Die Offenlegung der Wahrheit ist die beste Waffe gegen Gerüchte und Fehlinterpretationen", sagte Schneiderhan, der am frühen Mittwoch nach Deutschland zurückgekehrt war.

Insgesamt habe sich die Lage in Kundus spätestens seit Ende April verschlechtert. "Es droht keine Eskalation, aber es gibt im Augenblick jeden Tag Vorfälle", sagte er. Die deutschen Soldaten seien "sehr ernsthaft bei der Sache". Sie wüssten sehr wohl um das Risiko, aber sie hielten auch zusammen, auch Oberst Klein gegenüber, der den Angriff befohlen hatte. Zugleich sei die Belastung "immens": "Das Kontingent steht heftig unter Druck", sagte Schneiderhan.

Der scheidende Kommandeur der Bundeswehr im Norden Afghanistans, Brigadegeneral Jörg Vollmer, beklagte gravierende Mängel bei der Stärke und der Ausrüstung der dort stationierten Soldaten. So sei in der Region um die Stadt Kundus mindestens eine zusätzliche Infanteriekompanie notwendig, um dort die Sicherheitslage zu verbessern, zitierte der Focus aus einem Bericht Vollmers.

Auf seiner Mängelliste, die demnach insgesamt 155 Punkte umfasst, beklagt der Kommandeur zudem, dass "geschützte Fahrzeuge" fehlten. Darüber hinaus seien auch die Hubschrauber "nur bedingt zur wirksamen Operationsunterstützung geeignet".

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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