Loveparade-Unglück: OB Sauerland:"Nur gepushte Zahlen"

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Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland gesteht: Die Besucherzahlen vor der Loveparade waren geschönt - aus Marketinggründen. Einen Rücktritt schließt er nicht mehr gänzlich aus, allerdings nicht sofort.

Lange Zeit war unklar, wie viele Besucher tatsächlich auf der Loveparade in Duisburg waren. Von Millionen war die Rede, dann wieder nur von 250.000 oder gar noch weniger. Nun hat Duisburgs umstrittener Oberbürgermeister Adolf Sauerland zugegeben: Die Zahlen waren geschönt.

Oberbürgermeister Sauerland hat nach der Katastrophe auf der Loveparade seine Familie aus der Stadt gebracht, nachdem er mehrere Morddrohungen erhalten hatte. Er  fühlt sich wie ein "Getriebener". (Foto: AP)

Es habe "die medialen Millionenzahlen des Veranstalters Lopavent" gegeben - und "reale Zahlen für unsere Planung", sagte Sauerland dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Die "mehreren Millionen" erwarteter Besucher, von denen er selbst vor der Technoparade gesprochen hatte, seien "nur gepushte Zahlen" gewesen, "mit denen man Marketing und nichts anderes" gemacht habe.

Auf Wunsch des Veranstalters habe die Stadt Duisburg bei dieser Marketinglüge mitgemacht. Stadt und Veranstalter hatten am Unglückstag (24. Juli) von 1,4 Millionen Besuchern gesprochen. Das Gelände ist nur für 250.000 Besucher zugelassen, war aber offenbar nicht ganz voll.

Familie in Sicherheit gebracht

Der Oberbürgermeister, der unter Polizeischutz steht, sagte dem Nachrichtenmagazin, er fühle sich nach mehreren Morddrohungen als "Getriebener". Seine Familie habe er wenige Tage nach dem Unglück aus der Stadt gebracht. Ein Unbekannter habe sich gemeldet und erklärt, man habe ihm 5000 Euro gezahlt, damit er Sauerland töte. Ein anderer habe gedroht, einen Kindergarten in die Luft zu sprengen, falls er nicht zurücktrete.

Bei der Loveparade in Duisburg waren vor drei Wochen 21 Menschen tödlich verletzt worden. Seitdem gehen die Schuldzuweisungen hin und her. Sauerland hatte sich mit dem Veranstalter am Tag nach der Loveparade der Presse gestellt, aber mit Verweis auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nur vage Antworten gegeben.

Sein "Abtauchen" löste in Duisburg eine Welle der Empörung und Wut aus, viele forderten seinen Rücktritt.

"Das ist Wahnsinn"

Inzwischen schließt der CDU-Politiker einen Rücktritt offenbar doch nicht mehr gänzlich aus. Auf die Frage, welche Konsequenzen er nach der Katastrophe für sich in Betracht gezogen habe, sagte Sauerland dem Spiegel: "Ich habe über fast alles nachgedacht. Sie wissen nicht, welche Gedanken sich in einem Menschen entwickeln. Das ist Wahnsinn."

Auch im WDR äußerte sich der Politiker zu möglichen Konsequenzen: "Natürlich stelle ich mir die Frage, ob man das Amt nach so einem tragischen Ereignis weiter ausüben kann. Aber diese Antwort werde ich erst dann geben, wenn ich die Antworten auf die uns alle bedrückenden Fragen habe", sagte der 55-Jährige in der Sendung Kreuzverhör (Sonntag, 19.40 Uhr, WDR), dessen Inhalt der Sender vorab verbreitete.

Einen sofortigen Rücktritt lehnt Sauerland aber nach wie vor ab. Ebensowenig räumt er keine persönliche Schuld ein. Nach Angaben des WDR sagte Sauerland im Kreuzverhör: "Es muss geklärt werden, wer der Verursacher dieses tragischen Ereignisses war. So weit sind wir noch nicht." Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt.

Der Oberbürgermeister betonte, wie sehr ihn das Unglück mitnehme: "Jeden Morgen, wenn ich wach werde, wünsche ich mir, dass alles das, was wir erlebt haben, nur ein böser Traum ist, aber es ist Realität", sagte er im WDR.

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