London:China steigt in  Britanniens  Atomindustrie ein

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Präsident Xi Jinping und Premierminister David Cameron verabreden, drei Kernkraftmeiler zu bauen - Peking will erstmals einen eigenen Reaktortyp in Europa einsetzen.

Von Björn Finke, London

China unterstützt Großbritannien beim Bau des ersten neuen Atomkraftwerks in Europa seit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011. Das Staatsunternehmen China General Nuclear Power übernimmt ein Drittel der Anteile und Investitionskosten am geplanten Atommeiler Hinkley Point C in Südwestengland. Das teilte der französische Stromkonzern EDF am Mittwoch mit, Bauherr und Mehrheitseigner des Kraftwerks. Die Ankündigung fällt zusammen mit dem Staatsbesuch von Chinas Präsident Xi Jinping in Großbritannien. Bei einem Nachfolgeprojekt, einem Reaktor an der Nordseeküste nordöstlich von London, sollen die Chinesen die Führung innehaben und ihr eigenes Reaktordesign nutzen können, sagte EDF-Manager Vincent de Rivaz.

Präsident Xi war am Montagabend nach London gereist und besucht das Vereinigte Königreich noch bis Freitag. Dem Staatsgast wird ungewöhnlich viel Ehrerbietung zuteil: Der Politiker sprach vor dem Parlament, die Königin richtete ein Bankett für ihn aus, er übernachtete im Buckingham- Palast. Die britische Regierung erhofft sich mehr Investitionen aus China im eigenen Land und besseren Zugang heimischer Firmen auf Chinas riesigem Markt. Daher spart sie kritische Themen wie die Verletzung der Menschenrechte in China bei der Visite weitgehend aus.

Premierminister David Cameron und Xi besuchten am Mittwoch in London eine Wirtschaftskonferenz, bei der sie die Vereinbarung zu Hinkley Point C vorstellten. Das Atomkraftwerk soll 2025 ans Netz gehen. Die Baukosten werden mit umgerechnet 24 Milliarden Euro veranschlagt. Betreiber EDF hat die Investition noch nicht freigegeben, weil sich die Franzosen mit dem chinesischen Partner bislang nicht auf die Aufteilung der Kosten einigen konnten. Diese Hürde ist nun überwunden. Seit 1995 wurde kein Reaktor mehr in Großbritannien neu in Betrieb genommen.

Das französisch-chinesische Konsortium soll danach zwei weitere Atommeiler im Vereinigten Königreich errichten und betreiben. Beim zweiten sollen die Chinesen ihren eigenen Reaktortyp nutzen dürfen. Es wäre das erste Mal, dass ein chinesischer Reaktor in Westeuropa ans Netz geht. In Hinkley Point wollen die Partner einen sogenannten Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) einsetzen. EDF baut ein solches Kraftwerk auch in Flamanville in Nordfrankreich, doch das Projekt ist inzwischen sechs Jahre verspätet. In Finnland ist ein EPR-Neubau neun Jahre in Verzug.

In Großbritannien gehen in den kommenden Jahren alte Atommeiler und klimaschädliche Kohlekraftwerke vom Netz - dafür benötigt das Land Ersatz. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird ebenfalls gefördert, die konservative Regierung kürzt aber die Subventionen hierfür seit ihrem Wahlsieg im Mai kräftig. Auch für Hinkley Point sollen Milliardenbeihilfen fließen. Die EU-Kommission genehmigte die Subventionen vergangenes Jahr. Im Juli haben jedoch die österreichische Regierung und mehrere Energieversorger Klage gegen die Entscheidung beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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