Der Fall Schalit, der Gefangenenaustausch zwischen Israel und der palästinensischen Widerstandsbewegung Hamas, zeigt im Grunde, wie sehnsüchtig die Menschen auf beiden Seiten auf solche historischen Momente der Menschlichkeit gewartet haben. Es darf nicht nur dabei bleiben, es geht auch anders.
Die palästinensische Autonomiebehörde ist im September vor die UN gegangen, um dort einen palästinensischen Staat anerkennen zu lassen. Die formelle Gründung dieses Staates aber würde nicht die ersehnte Befriedung der Region bringen. Der Weg zu der Zweistaatenlösung, nämlich Israel und Palästina, wurde durch den exzessiven Bau der jüdischen Siedlungen von allen israelischen Regierungen im wahrsten Sinne des Wortes verbaut.
Seit über 60 Jahren hat der UN-Teilungsplan für Israel/Palästina Vertreibung, Krieg und Unrecht verursacht. Weder hat er den Juden Sicherheit noch den Palästinensern ihre Rechte gebracht. Beide betrachten das gesamte Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan als ihre historische Heimat. Israel erkennt weder die Grenzen des UN-Teilungsplans von 1947 an noch die Waffenstillstandslinie von 1949.
Stattdessen dehnte es seine Grenzen seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 über ganz Palästina aus. Zwischen Mittelmeer und Jordan besteht seitdem ein Staat, Israel, mit unterschiedlichen Rechten für Juden und Palästinenser. Linke wie rechte israelische Regierungen haben seit 1967 durch die Ansiedlung von 500.000 jüdischen Siedlern im Westjordanland und in Ost-Jerusalem eine de facto binationale Realität geschaffen, die eine Zwei-Staaten-Lösung unmöglich macht.
Nur 13 Prozent des historischen Palästina
Heute leben zwischen Mittelmeer und Jordan etwa elf Millionen Menschen, je zur Hälfte israelische Juden und Palästinenser. Während der Teilungsplan von 1947 noch einen zusammenhängenden palästinensischen Staat auf 44 Prozent des gesamten historischen Palästina vorgesehen hatte, würden den Palästinensern heute nur noch etwa 13 Prozent zerstückelte Territorien bleiben. Ihr Staat aber müsste ein zusammenhängendes Staatsgebiet haben und die Kontrolle über Luftraum, Wasser, Grenzen und eine eigene Armee - alles andere wäre die Homeland-Politik des ehemaligen Apartheids-Südafrika. Dort sollte damals die weiße Dominanz als schwarze Unabhängigkeit in winzigen Gebieten getarnt werden. Deswegen verweigerte Präsident Nelson Mandela der Transkei und den anderen solcher "Bantustans" später die Anerkennung und kämpfte stattdessen für gleiche Rechte in einem gemeinsamen Land.
Daher wäre es eher angebracht, im Sicherheitsrat und in der UN-Vollversammlung die Proklamation des Staates Palästina nicht zu unterstützen und stattdessen die eines einheitlichen demokratischen Staates Israel/Palästina, mit gleichen Rechten für alle seine Bürger, zur Abstimmung zu bringen. Nur ein gemeinsamer Staat zwischen Mittelmeer und Jordan kann die wesentlichen Konfliktpunkte - Siedlungen, Flüchtlinge, Außengrenzen, Jerusalem, die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen, Sicherheit und politische Gefangene - für beide Seiten zufriedenstellend lösen. Nur so können die territorialen Ansprüche beider Völker befriedigt werden, und das aus vielen Gründen:
1. Ein einheitlicher Staat respektiert die historische Verbundenheit der Juden mit Judäa und Samaria. Die dortigen Siedlungen bleiben bestehen und können erweitert werden.
2. Das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge zu ihren Heimatorten wird gemäß UN-Resolution 194 gewährt.
3. Durch Beibehaltung des in der Knesset verabschiedeten jüdischen "Gesetzes für die Rückkehr" bleibt das vereinte Israel/Palästina ein Staat, in den Juden einwandern können. Gleichzeitig wird es durch die Umsetzung des palästinensischen "Rechtes auf Rückkehr" ein Staat, in den palästinensische Flüchtlinge zurückkehren dürfen. Jeder kann seinen Wohnsitz frei wählen.
4. Während Hunderttausende palästinensische Flüchtlinge heute im Gazastreifen zusammengedrängt bei einer Dichte von etwa 4200 Personen pro Quadratkilometer leben, sehen sie direkt jenseits des Stacheldrahts ihr Land in Israel, beinahe leer, mit einer Dichte von fünf Personen pro Quadratkilometer. In einem einheitlichen Staat können sie zu ihren teils unbewohnten Heimatorten zurückgehen.
5. Mit Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR könnten die palästinensischen Flüchtlinge ebenso repatriiert werden, wie das in Bosnien oder Afghanistan geschah.
6. Eine gemeinsame jüdisch-palästinensische Armee verteidigt ihre gemeinsame Außengrenze, ohne dass ihre beiden Teile sich im Innern als feindlich betrachten.
7. Als gemeinsamer jüdisch-palästinensischer Staat wird Israel/Palästina von seinen arabischen Nachbarn als Teil der Region willkommen geheißen. Die Feindseligkeiten werden eingestellt, die Grenzen öffnen sich, Reisemöglichkeiten und Wirtschaftsverbindungen entstehen. Überflüssig gewordene Militärausgaben können nun sinnvoll investiert werden; ein gemeinsamer Wirtschaftsraum führt zu Prosperität und zur Befriedung der gesamten Region.
8. Ein Staatsbürgerschaftsrecht gewährt unabhängig von Religion und Ethnie jedem dieselben Rechte und Pflichten. Sicherheit entsteht nicht durch Trennung, sondern durch die Gleichberechtigung der jüdischen und der palästinensischen Staatsbürger.
9. Achtzig Prozent des Wassers des Westjordanlandes gehen heute nach Israel oder in die jüdischen Siedlungen. In einem einheitlichen Staat aber haben alle dasselbe Anrecht an den natürlichen Ressourcen, insbesondere Wasser und Land.
10. Das ungeteilte Jerusalem ist die gemeinsame Hauptstadt beider Staatsvölker und allen frei zugänglich. Die jüdischen Siedlungen in Ost-Jerusalem bleiben bestehen.
11. Als Israel am 11.5.1949 mit der UN-Resolution 273 als Mitgliedsstaat aufgenommen wurde, geschah dies unter der Annahme, Israel würde die vorausgegangenen UN-Resolutionen erfüllen. Nämlich Resolution 181, zur Teilung in einen jüdischen und einen arabischen Staat, und UN-Resolution 194, zum Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge. Beides ist bis heute nicht geschehen.
Als Theodor Herzl Ende des 19. Jahrhunderts sein Buch "Der Judenstaat" schrieb, belächelten ihn viele Kritiker: Das sei doch eine reine Utopie. Er antwortete: "Wenn ihr es wollt, dann ist es keine Utopie."