"Ich möchte Verantwortung übernehmen und mich entschuldigen für die Fehler, die gemacht wurden." Das hat die britische Premierministerin Liz Truss in einem BBC-Interview am Montagabend erklärt und sich damit erstmals für die durch ihre Wirtschaftspolitik ausgelösten Turbulenzen entschuldigt. Im selben Interview kündigte sie zudem an, dass sie die Konservativen in die nächsten Parlamentswahlen führen wolle - und das, obwohl neue Umfragen zeigen, dass ihrer Partei eine vernichtende Niederlage droht.
Die von ihrer Regierung angekündigten enormen Steuersenkungen, deren Finanzierung unklar blieb, hatten das britische Pfund in den Keller rauschen und die Zinsen in die Höhe schießen lassen. Truss sah sich gezwungen, ihren Verbündeten und Finanzminister Kwasi Kwarteng zu entlassen und durch den erfahrenen Pragmatiker Jeremy Hunt zu ersetzen. Dieser kündigte am Montag eine 180-Grad-Wende in der Wirtschaftspolitik an - von Truss' Kernversprechen blieb fast nichts übrig. Mit Blick auf ihre politische Zukunft gab sich die Regierungschefin allerdings weiterhin optimistisch: "Ich werde die Konservative Partei in die nächste Wahl führen", betonte Truss. Und das, obwohl die Politikerin wenige Wochen nach Amtsantritt bereits enorm unter Druck steht, insbesondere in den eigenen Reihen. Erste Parteikollegen fordern öffentlich ihren Rücktritt. Die Diskussion über mögliche Nachfolger oder Neuwahlen hat Fahrt aufgenommen.
Auf die Frage, ob sie weiterhin hinter ihrer Wirtschaftsphilosophie stehe, die in den vergangenen Wochen so nach hinten losgegangen sei, antwortete die Premierministerin: "Ich glaube an eine Wirtschaft mit hohem Wachstum und niedrigen Steuern. Ich gebe aber zu, dass wir uns derzeit in einer sehr schwierigen Situation befinden." Auf der ganzen Welt gebe es steigende Zinssätze, in der Ukraine herrsche Krieg, der von Putin angezettelt wurde, "und wozu ich als Premierministerin die Entscheidung treffen musste, war sicherzustellen, dass wir handeln, um die wirtschaftliche Stabilität zu schützen".
Sie sei der Meinung, "dass wir die Dinge in Großbritannien schneller vorantreiben müssen, um das Wachstum unserer Wirtschaft zu fördern". Sie wolle Straßenbauprojekte vorantreiben, Infrastruktur schaffen, eine neue Energieversorgung, "weil wir viel zu sehr von den globalen Energiepreisen abhängig sind". Aber sie gebe zu, "dass wir zu schnell gehandelt haben, und ich habe die notwendigen Anpassungen vorgenommen".
Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Redfield & Wilton, die am Montag veröffentlicht wurde, sieht die Tories 36 Punkte hinter der Labour-Partei und damit sogar unter dem Tiefststand der Vorwoche. Eine weitere Umfrage von Deltapoll ergab einen Rückstand der Tories von 32 Punkten. Sollten sich die Umfragen bei den Parlamentswahlen bewahrheiten, würden die Tories wahrscheinlich weniger Abgeordnete stellen als die Schottische Nationalpartei (SNP), die dann die offizielle Opposition wäre.
Truss erklärte in dem Interview jedoch, sie sei "in dieses Amt gewählt worden, um für das Land etwas zu erreichen". "Wir können es uns einfach nicht leisten, unsere Zeit damit zu verbringen, über die Konservative Partei zu reden, anstatt über das, was wir erreichen müssen. Das ist meine Botschaft an meine Kollegen", fügte sie hinzu.
Nach den Regeln der Tory-Partei kann Truss innerhalb des ersten Amtsjahres nicht gegen ihren Willen als Parteivorsitzende abgesetzt werden. Aber Abgeordnete haben sich Berichten zufolge bereits getroffen, um zu entscheiden, ob diese Regeln geändert werden können für ein Misstrauensvotum.
Die nächsten Parlamentswahlen in Großbritannien müssen bis spätestens Anfang 2025 abgehalten werden. Truss kann als Premierministerin selbst entscheiden, wann sie diese anberaumt.