Linke: Parteitag im Saarland:Oskars Krönungsmesse

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Lafontaine war das Saarland, das Saarland war Lafontaine-Land. Und jetzt will er zurück auf seinen alten Thron. Was seine Gegner zittern lässt: Rechnerisch ist das möglich.

Thorsten Denkler, Berlin

In Saarbrücken die Busfahrer nach ihrer politischen Überzeugung zu befragen, könnte eine recht einseitige Veranstaltung werden. Anfang Juli sind von den 300 Fahrern der Saarbahn 220 geschlossen in die Linke eingetreten.

Oskar Lafontaine: Der Napoleon von der Saar will zurück auf seinen Thron. (Foto: Foto: dpa)

35 davon waren zuvor SPD-Mitglieder. Die Mitgliederzahl der Linken hat sich damit schlagartig um zehn Prozent erhöht. Das Medienecho über den gelungenen Coup war gewaltig. Die Botschaft: An der Saar kann es die Linke schaffen.

An diesem Samstag soll im Bürgerhaus von Neunkirchen der Grundstein für das ambitionierte Projekt Saar gelegt werden. Es könnte enden mit dem erstmaligen Sieg der Linken in einem Bundesland, mit ihrem Aufstieg zur stärksten Fraktion. Ja, es könnte den Parteichef Oskar Lafontaine theoretisch wieder in jenes Amt bringen, das er jahrelang als SPD-Mann innegehabt hatte: in das des Ministerpräsidenten.

Um 9:30 Uhr wird in Neunkirchen der Landesparteitag der Linken eröffnet, der besonders ist für diese Partei. Entscheidend wird der Tagesordnungspunkt 17 sein: "Nominierung des/der Spitzenkandidaten/in für die Landtagswahl 2009".

Die weibliche Form hätten sich die Autoren der Tagesordnung sparen können. Die 160 Delegierten werden nur einen Kandidaten vorfinden: Oskar Lafontaine. Erwartet wird ein Ergebnis, das von 100 Prozent nicht allzu weit entfernt sein dürfte. In der Saar-Linken kennt Oskar keine Feinde, nur Freunde.

Das Projekt Saar hat oberste Priorität für die Linke und für Lafontaine. Es ist fast noch wichtiger als ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl, eben weil Lafontaine das Land von 1985 bis 1998 regiert hat. Er galt als der Napoleon von der Saar und regierte durchgehend mit absoluter Mehrheit.

Lafontaine war das Saarland, das Saarland war Lafontaine. Und jetzt will er zurück auf seinen alten Thron.

Die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht. In Umfragen liegt die Linke nie mehr als fünf Prozentpunkte hinter der SPD. Eine Umfrage hat die Linke sogar bei 29 Prozent und die SPD bei 16 Prozent gesehen. Der amtierende Ministerpräsident Peter Müller (CDU) stichelte bereits, er freue sich auf das spannende Duell Müller gegen Lafontaine. Vom SPD-Spitzenmann Heiko Maas kein Wort. Was der einstige Protegé Lafontaines nicht lustig fand.

Schon bei der Bundestagswahl 2005 hat die Linke, damals noch als PDS firmierend, aus dem Stand mehr als 18 Prozent im Saarland bekommen - bis heute der höchste Wert in einem westlichen Bundesland. Dabei hatte die Partei damals noch nichts: kein Programm, keine Kandidaten. Sie hatte nur Oskar Lafontaine.

Zur Landtagswahl soll das anders sein. Ein Programm ist in Arbeit und Kandidaten gibt es inzwischen mehr als genug. Die Zahl der Mitglieder der erst im vergangenen Herbst aus WASG und PDS fusionierten Linken hat sich bis heute auf über 2600 praktisch verdoppelt. Die Partei ist noch klein, die SPD hat noch zehnmal mehr Mitglieder. Aber die Linke ist schlagkräftig und hochmotiviert. Ein Mangel an Plakatklebern dürfte es diesmal nicht geben.

Die meisten Mitglieder waren früher mal Sozialdemokraten. So wie Rolf Linsler, 65, Landesvorsitzender der Saar-Linken. Er war 35 Jahre Sozialdemokrat, vor allem aber angesehener Gewerkschaftsfunktionär.

Bis 2007 war Linsler Landeschef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Im August 2007 trat er aus der SPD aus. Im September 2007 wählten ihn die Delegierten des Gründungsparteitages der Linken zu ihrem ersten Landeschef. Er könnte 2009 Fraktionsvorsitzender der Partei im Saarländischen Landtag werden. Am liebsten unter einem Ministerpräsidenten Lafontaine.

Möglich wäre das nur, wenn die Linke vor der SPD landet. Und selbst dann ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Die SPD als Juniorpartner in einer Koalition mit der Linken, und dann noch in einem westlichen Bundesland, das ist in der Sozialdemokratie selbst für eifrigste Verfechter von Annäherungen an die Linke ziemlich starker Tobak.

SPD-Vormann Maas hat schon ausgeschlossen, dass es einen Ministerpräsidenten mit dem Vornamen Oskar im Saarland geben wird. Eine gemeinsame Regierung mit den Linken kann er sich schon vorstellen. Solange die SPD stärker ist. Einen Juniorpartner SPD in einem rot-roten Bündnis aber werde es "definitiv nicht geben", sagt Maas.

Das aber bedeutet: Im Zweifel wird Lafontaines politischer Ziehsohn Maas eine große Koalition mit der CDU eingehen müssen. Aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Ministerpräsidenten Peter Müller an der Spitze, den Maas ja eigentlich ablösen will.

Inhaltlich ließe sich ein Bündnis mit den Christdemokraten nicht erklären. SPD und Linke unterscheiden sich programmatisch nur wenig. Die Linke ist nach wie vor Fleisch vom Fleisch der SPD. Die Konkurrenten sind Brüder im Geiste.

Allerdings auf Seiten der Linken in der Regel ohne Parlaments- und schon gar nicht mit Regierungserfahrung, wenn man von Lafontaine mal absieht.

In Frage für Ministerämter kämen deshalb nur der Saarländer Hans-Kurt Hill, von 2000 bis 2007 Landesvorsitzender der PDS und derzeit Bundestagsabgeordneter, der stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag und Landsmann Volker Schneider, sowie Barbara Spaniol, derzeit einzige Landtagsabgeordnete der Saar-Linken, weil sie als solche im vergangenen Jahr von den Grünen zur Linken übergelaufen ist.

Bei der Saar-Wahl vor der Linken zu landen ist übrigens die einzige Chance für Heiko Maas, Lafontaine dauerhaft loszuwerden. Lafontaine will nämlich nur dann ins Saarland zurückkehren, wenn ihn seine Landsleute zum Ministerpräsidenten machen. Ansonsten bleibt er in Berlin.

Manche Sozialdemokraten in der Hauptstadt rätseln noch, ob sie Lafontaine nicht lieber viel Glück für sein Projekt Saar wünschen sollen.

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