Libyen: Spekulationen um Machthaber:Gaddafi zeigt sich im libyschen Staatsfernsehen

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Mysteriöser Auftritt mit Sonnenbrille: Erstmals seit dem Tod seines Sohnes war der libysche Machthaber Gaddafi wieder im Staatsfernsehen zu sehen - dem Anschein nach gesund und wild gestikulierend. Offen ist, ob die Aufnahmen aktuell sind.

Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi ist am Mittwochabend erstmals seit etwa zwei Wochen wieder im libyschen Staatsfernsehen zu sehen gewesen. Gaddafi habe in einem Hotel in der Hauptstadt Tripolis Stammesführer getroffen, hieß es im arabischen Nachrichtensender al-Dschasira.

Eine aktuelle Aufnahme des libyschen Machthabers? So präsentierte sich Muammar al-Gaddafi am Mittwochabend im libyschen Staatsfernsehen. (Foto: Reuters)

Unklar ist allerdings, von wann die Bilder stammen: Das gesendete Material selbst war mit keiner Datumsangabe versehen. Ein Moderator des Staatsfernsehens sagte, es handle sich um Aufnahmen vom Mittwoch. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben war nicht möglich.

Die gesendeten Bildern zeigten Gaddafi nach Angaben des TV-Moderators mit mehreren Stammesfürsten in einem Hotel in Tripolis. "Wir sagen der Welt: Das hier sind die Repräsentanten der libyschen Stämme", sagte Gaddafi und deutete dabei auf seine Gäste. Er trug wie üblich eine braune Robe, Hut und Sonnenbrille und saß in einem Sessel. Bei seinem Auftritt präsentierte er sich gewohnt wild gestikulierend.

Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters, die in eben jenem Hotel untergebracht sind, sagten, einige Räume seien während des Tages wegen einer Veranstaltung abgesperrt gewesen. Sie hätten Gaddafi aber nicht gesehen. Normalerweise inszeniert dieser mit großem Gefolge seine öffentlichen Auftritte.

Seit dem 30. April, als die Nato Angriffe auf die Residenz flog, hat sich der libysche Machthaber nicht mehr öffentlich gezeigt, auch bei der Beerdigung seines Sohnes, der bei der Attacke ums Leben kam, war er nicht anwesend. Das hatte Spekulationen genährt, wonach Gaddafi selbst bei dem Angriff auch ums Leben gekommen sei. Das Regime hatte die Attacke als Versuch verurteilt, Gaddafi zu töten.

Am Donnerstagmorgen waren wieder laute Explosionen in Tripolis zu hören, berichtete der US-Nachrichtensender CNN. Kurz zuvor waren Nato-Flugzeuge über die Stadt gedonnert. Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete von Explosionen im Bereich von Bab el Asisija, wo sich auch die Residenz von Gaddafi befindet. Zwei Rauchwolken stiegen auf, anschließend waren Sirenen und Gewehrfeuer zu hören.

Nach tagelangen Kämpfen war es den Aufständischen am Vortag gelungen, das Flughafengelände am Südrand der belagerten Stadt Misrata einzunehmen. Unterstützt von anderen Rebellenverbänden drängten die Milizen die Truppen Gaddafis am Mittwoch zurück, wie ein Sprecher des Übergangsrates in Bengasi mitteilte.

Ein Sprecher der Aufständischen sagte, am Flughafen seien Waffen der Regierungssoldaten sichergestellt worden, darunter Panzer. Eine unabhängige Bestätigung war nicht zu erhalten. Der Flughafen war für die Truppen Gaddafis ein wichtiger Stützpunkt, wo sie Munition und Waffen lagerten, mit der sie die Belagerung der Stadt aufrecht erhalten konnten. Die heftig umkämpfte Stadt Misrata ist der einzige Ort im Westen des Landes, den die Rebellen kontrollieren.

Rebellen lehnen UN-Forderung nach Waffenstillstand ab

Die Rebellen lehnten die Forderung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nach einem sofortigen Waffenstillstand ab. "Wir vertrauen Gaddafi nicht", begründete ein weiterer Sprecher die Entscheidung. "Er bombardiert Zivilisten, nachdem sein Regime zusichert, sich an einen Waffenstillstand zu halten."

Die Regierung von Gaddafi hat bereits mehrfach ein Ende der Kämpfe angekündigt und dennoch Rebellenstellungen angegriffen. Ban sagte in Genf, der Ministerpräsident des nordafrikanischen Landes, Al-Baghdadi Ali al-Mahmudi, habe in einem Gespräch seine Bereitschaft zu einem Ende der Kämpfe angedeutet. Der Ministerpräsident habe sich offen gezeigt, Beobachter der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union ins Land zu lassen.

Derweil kündigte die EU an, dass sie "so rasch wie möglich" ein Büro in der Oppositionsstadt Bengasi eröffnen wolle. Dies solle der Unterstützung des nationalen Übergangsrat in Bengasi dienen, erklärte die Außenbeauftragte Catherine Ashton vor dem Europaparlament in Straßburg.

Nach Angaben von EU-Diplomaten in Brüssel soll das Büro keinen diplomatischen Status haben, sondern "auf technischer Ebene" arbeiten. Hauptaufgabe sei es, sich um die humanitären Bedürfnisse zu kümmern. Dazu zählten Kontakte zur Zivilgesellschaft, aber auch Hilfen beim Aufbau demokratischer Strukturen. Das Büro, über dessen Größe und personelle Ausstattung noch nicht entschieden sei, sei auch "ein wichtiges Zeichen der Solidarität", hieß es.

Die Vereinten Nationen (UN) hatten Mitte März ein generelles Flugverbot über Libyen verhängt. Die Bedeutung des Flughafens von Misrata ist daher eher militärisch-strategischer Natur. Die Stadt 210 Kilometer östlich von Tripolis ist die stärkste Bastion der Regimegegner in dem weitgehend vom Gaddafi-Regime kontrollierten Westen Libyens. Sie wird seit mehr als zwei Monaten von den Gaddafi-Truppen belagert. Mit dem Vorstoß zum Flughafengelände konnten die Aufständischen den Belagerungsring lockern.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/dapd/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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