Libyen:Im Interesse des Landes

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Der Rückhalt für die neue Regierung unter Premierminister Fayez Serraj der nationalen Einheit nimmt zu. Die bisherige Gegenregierung in der Hauptstadt Tripolis hat angekündigt, sie wolle ihre Arbeit einstellen.

Von Paul-Anton Krüger, Tripolis

Die neue Regierung der Nationalen Einheit in Libyen unter Premierminister Fayez Serraj gewinnt an Unterstützung im Land. Am Dienstagabend erklärte die bisherige Gegenregierung und der sie tragende Nationalkongress in Tripolis, sie würden ihre Aktivitäten einstellen und an die Einheitsregierung übergeben. Die Entscheidung sei im Interesse des Landes getroffen worden, um weiteres "Blutvergießen und die Spaltung" Libyens zu vermeiden, teilte ein Sprecher mit. Zugleich wandelten sie sich in den neu konstituierten Staatsrat um, der die neue Regierung berät. Dies ist in dem von den UN vermittelten Friedensabkommen vorgesehen.

In den Tagen zuvor hatten bereits etliche Gemeinden ihre Unterstützung für die neue Regierung erklärt: in der Zentralbank und der Nationalen Ölgesellschaft unterstellten sich die beiden für das Wirtschaftsleben wichtigsten Institutionen des Landes ebenfalls ihrer Autorität. Am Mittwoch besuchte auch der UN-Sondergesandte Martin Kobler das erste Mal seit zwei Monaten wieder Tripolis. Er versprach, die UN würden "jegliche nötige Unterstützung für eine unverzügliche und friedliche Machtübergabe" bereitstellen. Nach dem Treffen mit Serraj auf dem Marinestützpunkt, der dem Präsidentschaftsrat derzeit noch als Hauptquartier dient, machte Kobler einen Spaziergang durch die Altstadt. Tunesien, die Türkei und Marokko kündigten an, ihre Botschaften in Tripolis wieder zu eröffnen. Viele Menschen standen am Mittwoch vor den Banken an, um an Bargeld zu kommen. Für sechs Wochen hatten die Banken keine Scheine mehr; für viele Menschen waren daher Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs knapp geworden.

Der Mufti von Tripolis hat bereits eine Fatwa gegen die Neuen verhängt

Serraj war am Mittwoch vergangener Woche mit einem Boot von Tunesien nach Tripolis gekommen, um sein Amt anzutreten, nachdem zuvor lokale Milizen mehrmals den Flughafen geschlossen hatten. Sie wollten verhindern, dass er in die Hauptstadt fliegt. Bereits am Freitag hatte er den Märtyrerplatz im Stadtzentrum besucht und am Mittagsgebet in einer nahegelegenen Moschee teilgenommen. Nun haben einflussreiche Politiker und Milizenführer aus der Hafenstadt Misrata, die dominierende Kraft der bisherigen Gegenregierung, sich entschieden, dass Serrajs Kabinett die besten Chancen bietet, das Land zu einen und zu stabilisieren und dann gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zu kämpfen. Sie kontrolliert die Stadt Sirte, die 250 Kilometer östlich von Misrata liegt.

Allerdings gibt es nach wie vor auch Widerstand gegen die Regierung der Nationalen Einheit. Der Mufti von Tripolis forderte sie in einer Fatwa auf, das Land zu verlassen, auch ist bei einigen Milizen noch nicht klar, wie sie sich verhalten werden. Die zuvor international anerkannte Regierung in Bayda und das Repräsentantenhaus in Tobruk haben die Regierung unter Serraj ebenfalls noch nicht akzeptiert.

Das Repräsentantenhaus muss erst noch über dessen Kabinett abstimmen, wie es im Friedensabkommen vorgesehen ist. Einflussreiche Kräfte hatten eine Abstimmung bislang aber verhindert; auch im achten Anlauf fand sie nicht statt. Die EU hat deshalb den Parlamentspräsidenten Aguila Salah mit Sanktionen belegt. Serraj hatte mit Unterstützung europäischer Staaten und der USA die Regierungsgeschäfte dennoch aufgenommen, um die politische Blockade in Libyen zu durchbrechen. Bedeckt hält sich bislang auch der umstrittene General Khalifa Haftar, der Militärchef im Osten, der maßgeblich von Ägypten und den Vereinigten Emiraten unterstützt wird. Von ihm kontrollierte Einheiten kämpfen gegen islamistische Milizen, die wiederum bislang von Misrata unterstützt wurden.

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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