Libyen:Der General macht Sorgen

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SZ-Karte (Foto: SZ-Grafik)

Der umstrittene Kommandeur Haftar ist dabei, Bengasi vom IS zu befreien. Doch dies könnte die Bildung einer Einheitsregierung gefährden.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Wieder und wieder hat die Libysche Nationalarmee verkündet, sie habe Bengasi von Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der lose verbündeten Ansar al-Scharia befreit, einem Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida. Das aber war in der Regel etwas vorschnell. Gut eineinhalb Jahre lang war es den Truppen unter dem Kommando des politisch umstrittenen Generals Khalifa Haftar nicht gelungen, die Dschihadisten dauerhaft aus der zweitgrößten Metropole des Landes zu vertreiben; Haftar ist Armeechef der bisher international anerkannten Regierung in Baida, die den Osten Libyens kontrolliert. Diesmal könnte es anders sein: Bewohner der Hafenstadt bestätigten, dass von den Dschihadisten kontrollierte Viertel befreit seien. Auch habe das Militär den wichtigen Hafen Marisa eingenommen. Über ihn liefen Waffenlieferungen an die Extremisten.

Den Unterschied machten diesmal womöglich Soldaten westlicher Spezialeinheiten. Libysche Militärquellen bestätigten der Nachrichtenagentur Associated Press, französische Soldaten seien an vier Operationen gegen den IS beteiligt gewesen. Die Franzosen hätten gemeinsam mit Amerikanern und Briten einen gemeinsamen Kommandostand auf dem Luftwaffenstützpunkt Benina 20 Kilometer östlich von Bengasi eingerichtet. Auch sammelten westliche Geheimdienstler von dort aus Information über den IS im Land. Die von Islamisten dominierte Gegenregierung in Tripolis, die den Westen Libyens kontrolliert, bestätigte die Berichte. Laut libyschen Medien sollen dort bereits 180 französische Elitesoldaten stationiert sein.

Ein Offizier der von General Haftar kommandierten Einheiten sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Franzosen agierten nur als Berater, seien aber nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligt. Le Monde hatte berichtet, Spezialeinheiten und Agenten des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE würden in Libyen verdeckt gegen den IS vorgehen. Ein US-Luftangriff, der im November den IS-Anführer Abu Nabil getötet habe, sei "von Paris initiiert" worden. Er war von 2004 bis 2010 Befehlshaber von al-Qaida im Westirak. Paris bestätigte nichts davon, leitete aber eine Untersuchung wegen Geheimnisverrats ein. Mitarbeiter von Verteidigungsministers Jean-Yves Le Drian sagten, wenn es verdeckte Operationen gebe, sei "das Ziel nicht, dass sie aufgedeckt werden, und zwar zum Schutz der Männer und der Operationen".

Die USA, Frankreich, Großbritannien und Italien bereiten sich seit einiger Zeit darauf vor, militärisch gegen den IS in Libyen vorzugehen. Bislang hieß es, damit solle gewartet werden, bis in Libyen eine Einheitsregierung gebildet sei und diese um Unterstützung anfrage. Vergangenen Freitag hatten die USA jedoch einen Luftangriff auf ein IS-Ausbildungslager bei Sabratha geflogen, 70 Kilometer westlich von Tripolis. Dabei kamen mehr als 40 Menschen ums Leben, unter ihnen der Tunesier Noureddine Chouchane. Er soll die beiden schwersten IS-Anschläge des vergangenen Jahres in Tunesien organisiert haben, die das Nationalmuseum in Tunis und den Badeort Sousse trafen und Dutzende westliche Touristen töteten . Nicht geklärt ist bisher, ob dem Angriff auch zwei 2015 entführte Mitarbeiter der serbischen Botschaft in Tripolis zum Opfer fielen.

Italien gestattet den USA, von Sizilien aus bewaffnete Drohnen über Libyen zu fliegen

Italien gestattet den USA zudem, vom Luftwaffenstützpunkt Sigonella auf Sizilien bewaffnete Drohnen über Libyen zu fliegen. Außenminister Paolo Gentiloni bekräftigte aber, Rom werde sich nicht an offensiven Operationen beteiligen, solange es keine Anfrage einer Einheitsregierung gebe. Die Drohnenflüge genehmige das Verteidigungsministerium "von Fall zu Fall".

US-Außenminister John Kerry warnte am Mittwoch, wenn sich die Fraktionen in Libyen nicht auf eine Einheitsregierung einigen könnten, drohe das Land zu einem gescheiterten Staat zu werden. Die Vorstöße von Haftars Truppen, die neben Bengasi auch die 150 Kilometer südlich gelegene Stadt Adschdabija einnahmen, könnten allerdings die Bildung einer Einheitsregierung gefährden. Die Gegenregierung in Tripolis verurteilte die "Angriffe von Unterdrückern". Sie unterstützt zum Teil islamistische Milizen, gegen die Haftar mit Hilfe aus Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgeht. Die Milizen in Tripolis verdächtigen den General, er wolle die Macht in Libyen an sich reißen.

Erst am Dienstag war ein weiterer Versuch des international anerkannten Parlaments in Tobruk gescheitert, über eine Kabinettsliste für eine Einheitsregierung abzustimmen; einen neuen Anlauf soll es kommende Woche geben. Die Liste hatte der in Tunis ansässige Präsidialrat vorgelegt, der nach einem von den Vereinten Nationen vermittelten Friedensabkommen eine neue Regierung bilden soll. Beide Seiten hatten das Abkommen prinzipiell akzeptiert, Streit gibt es aber seither um die Besetzung des Kabinetts. Einen ersten Vorschlag hatten die Abgeordneten in Tobruk abgelehnt. Differenzen gibt es auch über die künftigen Befugnisse General Haftars. Der UN-Sondergesandte Martin Kobler sagte jüngst, es müsse eine Rolle für ihn geben, "aber keine dominierende Rolle im Westen des Landes".

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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