Libanon:Auf sie ist Verlass

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Raya Haftar al-Hassan, 52, ist Mitglied des Bündnisses "14. März" von Premier Saad al-Hariri. Als Innenministerin möchte sie das Leben der Menschen erleichtern - vor allem in den Bereichen Verkehr, Umwelt und Sicherheit. (Foto: Hassan Ammar/AP)

In dem krisengebeutelten Land leitet künftig eine Frau das Innenministerium - eine Premiere in der arabischen Welt. Leicht wird der Job für Raya Haftar al-Hassan nicht: Die wirtschaftliche Lage spitzt sich zu, die Beziehungen zu den Nachbarn sind angespannt.

Von Dunja Ramadan, München

Nachdem die Regierungsbildung im Libanon ganze neun Monate in Anspruch genommen hat, macht das mühsam zusammengestellte Kabinett in Beirut nun mit einer Premiere Schlagzeilen: Die frühere Finanzministerin Raya Haffar al-Hassan wird die erste Innenministerin der arabischen Welt. In ihrer Antrittsrede versprach die 52-jährige Sunnitin, für Stabilität und Sicherheit zu sorgen - ohne dabei Menschenrechte oder Meinungsfreiheit einzuschränken. Bereits 2009 übernahm sie als erste arabische Politikerin das Finanzamt, das sie zwei Jahre lang leitete. Sie gilt als Vertraute des amtierenden Ministerpräsidenten Saad al-Hariri. Bei ihrer Vereidigung am Mittwoch setzte ihr Vorgänger, Nohad al-Machnouk, ihre Vorreiterrolle gebührend in Szene, indem er den Sufi-Dichter Ibn Arabi zitierte: "Da, wo es keine Frauen gibt, gibt es auch keinen Verlass", sagte er.

Dabei kann das krisengebeutelte Land genau das gerade gut gebrauchen. In den vergangenen Monaten spitzte sich die wirtschaftliche Lage zu. Der staatliche Schuldenberg wuchs auf rund 74 Milliarden Euro an und erreichte damit 155 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei etwa 36 Prozent. Die libanesische Wirtschaft leidet stark unter dem Krieg im Nachbarland Syrien. In den vergangenen Jahren sind mehr als eineinhalb Millionen Syrer ins Land gekommen. Keine andere Nation hat in Relation zur eigenen Bevölkerung so viele Flüchtlinge aufgenommen.

Hinzu kommt die fragile außenpolitische Lage: Im vergangenen Dezember verschärften sich die Spannungen zum Nachbarn Israel, als dort das Militär an der Nordgrenze ein Tunnelsystem der schiitischen Hisbollah-Miliz entdeckte und daraufhin eine Offensive startete. Kurz vor Heiligabend sprengte das israelische Militär den ersten Tunnel in die Luft.

Im neuen Kabinett hat die Hisbollah an Einfluss gewonnen. Bei der ersten Parlamentswahl seit neun Jahren im vergangenen Mai war die 8.-März-Allianz, die maßgeblich von der Hisbollah beeinflusst ist, stärkste Kraft. Die Wahl war auch wegen des Syrienkriegs drei Mal verschoben worden. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 49,2 Prozent, angeblich wegen Verkehrsstaus. Die anschließende Kabinettsbildung dauerte auch deshalb so lange, weil die unterschiedlichen Volksgruppen - im Libanon gibt es 18 anerkannte Religionsgemeinschaften - um jeden Posten gerungen haben. Der politischen Frustration in der Bevölkerung will Raya al-Hassan nun mit konkreten Maßnahmen entgegenwirken: So will sie Straßensperren entfernen, einst als Sicherheitsmaßnahme gedacht, die in Beirut täglich zu Staus führen. Oft kommen Krankenwagen nicht durch. Auch will sie gegen häusliche Gewalt vor allem gegen Kinder vorgehen sowie die Haftbedingungen in den Gefängnissen verbessern. In ihrer ersten Rede betont al-Hassan aber vor allem den Kampf gegen illegalen Waffenhandel, der seit dem Syrienkrieg im Libanon floriert.

Das künftige Verhältnis Libanons zum Nachbarn Syrien und zu Machthaber Baschar al-Assad, der seine Macht in den vergangenen Monaten weiter gefestigt hat, dürfte auch das neue Kabinett vor Zerreißproben stellen. Erst Ende Januar richtete Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in einer Fernsehansprache eine Drohung an Israels Premier Benjamin Netanjahu: Sollte Israel seine Attacken in Syrien ausweiten, würden sich die Hisbollah, Iran und Syrien "jederzeit" für einen anderen Umgang mit Israel entscheiden. In dieser aufgeheizten Stimmung wird Raya Haffar al-Hassan, die als Innenministerin auch die Geheimdienste beaufsichtigt, wohl einiges zu tun haben.

Im Ausland wird aber vor allem ihr Kollege Dschamil Dschabbak, der neue Gesundheitsminister, kritisch beäugt: Dschabbak war einst Leibarzt von Hisbollah-Chef Nasrallah und gilt noch immer als dessen Vertrauer, auch wenn er kein Hisbollah-Mitglied ist. Die USA drohten bereits damit, ihre Finanzhilfen an Ministerien einzustellen, falls diese von der Hisbollah kontrolliert würden. Washington stuft die Organisation als terroristisch ein. Deren Chef Nasrallah versuchte am vergangenen Montag, die Bedenken der USA zu zerstreuen: Er bezeichnete Dschamil Dschabbak als "bewährten Bruder", der allen Libanesen dienen werde.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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