Leipzig:Das Schweigen des Ministers

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Im Skandal um den widerrechtlichen Verkauf von Fahrrädern aus der Asservatenkammer der Leipziger Polizei gerät nun Innenminister Wöller unter Druck.

Von Ulrike Nimz, Leipzig

Nach Enthüllungen um den illegalen Verkauf gestohlener Fahrräder durch Polizeibeamte in Leipzig wächst der Druck auf Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU). Am Dienstag veröffentlichte das Nachrichtenportal Tag24 erneut ein internes Schreiben. Darin ersucht Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze den Innenminister, in dem Vorfall "größtmögliche Transparenz herzustellen", damit nicht der Eindruck entstehe, "man habe den 'Mantel des Schweigens' ausbreiten wollen". Die dreiseitige Sachverhaltsdarstellung ist datiert auf den 27. Dezember 2019. Demnach war der Innenminister schon vor Monaten über den Korruptionsskandal informiert.

Vergangene Woche war durch Recherchen von Tag24 bekanntgeworden, dass das Landeskriminalamt gegen eine Vielzahl von Polizisten wegen des illegalen An- und Weiterverkaufs zuvor gestohlener und aufgefundener Fahrräder ermittelt. Eine Beamtin mit Zugang zur Asservatenkammer habe diese zunächst einem Kleingartenverein übereignet, in dem ihr Vater Vorstandsmitglied sei. Über diesen Strohmann seien die teils hochwertigen Räder für 50 bis 100 Euro an Polizeikollegen, mutmaßlich auch an Staatsanwälte, Richter und Bundespolizisten veräußert worden. Die Vorwürfe umfassen Bestechung, Bestechlichkeit und Strafvereitelung im Amt.

Landtagspolitiker haben das sächsische Innenministerium seitdem mehrmals aufgefordert, für Aufklärung zu sorgen. "Die neuen Vorwürfe gegen Innenminister Wöller sind hart. Wenn sich bewahrheitet, dass er gegen ausdrückliche Empfehlung des Leipziger Polizeipräsidenten den Vorgang gegenüber der Öffentlichkeit bewusst verschwiegen hat, wäre das ungeheuerlich", erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Albrecht Pallas. "Für mich ist das nichts anderes als eine Vertuschung des Vorgangs." Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen, sagte, der Innenminister müsse endlich alle Karten auf den Tisch legen. Alles andere verstärke den Eindruck, dass Landtag und Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt würden.

Der turnusmäßigen Pressekonferenz im Anschluss an die Kabinettssitzung blieb Wöller am Dienstag trotz Einladung fern. Die Affäre sei kein Thema im Kabinett gewesen, ließ Regierungssprecher Ralph Schreiber auf Nachfrage wissen. Noch während der Pressekonferenz veröffentlichte das Innenministerium eine Stellungnahme. Darin äußert sich der Minister "bestürzt" ob der Vorgänge in der Leipziger Polizeidirektion. Das Fehlverhalten einiger Beamter sei "unentschuldbar und geeignet, das Vertrauen in die Polizei nachhaltig zu beschädigen", erklärte Wöller. Er habe den Landespolizeipräsidenten beauftragt, mögliche korruptionsbegünstigende Strukturen in der Asservatenverwaltung der Polizeidirektion Leipzig zu untersuchen.

Zum Vorwurf der Vertuschung äußerte sich das Innenministerium nur indirekt: Für die Öffentlichkeitsarbeit in einem laufenden Ermittlungsverfahren sei die Staatsanwaltschaft zuständig. Eine "aktive Öffentlichkeitsarbeit" der Polizeidirektion Leipzig hätte die Aufklärung des Sachverhaltes gefährdet. Die Leipziger Staatsanwaltschaft wollte sich vorerst nicht zum Statement des Innenministers äußern. Man prüfe jedoch eine Stellungnahme.

Die CDU-Fraktion im sächsischen Landtag verteidigte Wöllers Vorgehen als "verantwortungsvolles Handeln gegenüber den eigenen Bediensteten". Ermittlungsergebnisse müssten abgewartet werden, und auch für Polizisten gelte die Unschuldsvermutung, so der innenpolitische Sprecher Rico Anton: "Roland Wöller genießt unser Vertrauen!"

© SZ vom 17.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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