Legitimation des libyschen Übergangsrats:Gaddafi: Zerstampft diese dumme Anerkennung

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Libyens Machthaber Gaddafi reagiert erzürnt auf die Ankündigung der internationalen Kontaktgruppe, den Übergangsrat der Rebellen als legitime Vertretung des Landes anzuerkennen. Für das Volk habe diese Entscheidung keine Bedeutung, verkündet er - und droht allen, die sich von ihm abwenden.

Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi hat die internationale Anerkennung des Übergangsrats der Rebellen als einzige legitime Vertretung des libyschen Volkes zurückgewiesen. "Zerstampft diese dumme Anerkennung unter Euren Füßen", rief er seinen Anhängern in einer am späten Freitagabend vom staatlichen Fernsehen ausgestrahlten Audiobotschaft zu. "Ihre Entscheidungen,...ihre Anerkennung,...das alles ist jetzt unter Euren Füßen. Stampft darauf herum!"

Muammar al-Gaddafi sieht "fünf Millionen Libyer" hinter sich, die bereit seien, den Märtyrertod zu sterben. (Foto: REUTERS)

Zuvor hatten bei einem Treffen der Libyen-Kontaktgruppe in Istanbul weitere Staaten die Übergangsregierung der Aufständischen anerkannt, darunter auch die USA. "Solange eine Übergangsregierung im Amt ist, erkennen die USA den TNC (Nationalen Übergangsrat) als die legitime libysche Regierung an", sagte US-Außenministerin Hillary Clinton in Istanbul. Dagegen habe das Gaddafi-Regime für die US-Regierung jede Legitimität verloren.

Zugleich forderte die Gruppe die Bildung einer Übergangsregierung in Libyen. Zur Libyen-Kontaktgruppe gehören alle Länder, die am Militäreinsatz gegen die Gaddafi-Regierung mitwirken. Mit der offiziellen Anerkennung des Übergangsrates ist es möglich, im Ausland eingefrorene libysche Staatsgelder zugunsten der Rebellen freizugeben.

In einer Abschlusserklärung der türkischen Gastgeber, an der zahlreiche Teilnehmerstaaten mitgewirkt hatten, hieß es unmissverständlich: "Gaddafi muss die Macht abgeben." Sein Regime wurde aufgefordert, sich aus den Städten zurückzuziehen und im Rahmen einer Waffenstillstandsvereinbarung "alle Menschen freizulassen, die festgenommen oder entführt wurden".

Der Nationale Übergangsrat der libyschen Rebellen dankte den USA dafür, ihn als "legitimen Vertreter des libyschen Volks anerkannt zu haben". In einer Erklärung vom Freitag würdigte der Übergangsrat die USA zugleich als "Beschützer und Förderer von Freiheit und Demokratie".

Gaddafi erklärte unterdessen, auch wenn "der sogenannte Übergangsrat eine Million Mal anerkannt" werde, habe das "keinerlei Bedeutung für das libysche Volk". In der über Lautsprecher in der Stadt Sliten, 150 Kilometer östlich von Tripolis, an Tausende dort versammelte Gaddafi-Anhänger verbreiteten Botschaft, erklärte Gaddafi weiter, mit ihm seien "fünf Millionen Libyer", die bereit seien, "den Märtyrertod zu sterben".

Noch habe er ihnen "kein grünes Licht zum Losmarschieren gegeben". Seinen Gegnern gebe er eine "letzte Chance", die militärischen Angriffe zu beenden. Die "Verräter in Bengasi", der Hochburg der Rebellen, forderte Gaddafi auf, "sich zu ergeben oder sich aus dem Land zu retten".

Details aus dem Lager Gadaffis soll inzwischen Abdurrahman Schalgam berichten, der von 2000 bis 2009 Außenminister Libyens war. Er spricht von schmutzigen Geschäften, Attentaten und barbarischen Racheakten. In Interviews mit der arabischen Zeitung Al-Hayat erzählt er unter anderem, wie Gaddafi 1983 einen ehemaligen Weggefährten, der nach einem gescheiterten Putschversuch ins Exil gegangen war, aus Marokko zurückholen ließ, um ihn in Libyen "wie ein Schaf zu schlachten". Angeblich zahlte Gaddafi dafür an die Marokkaner 200.000 US-Dollar, umgerechnet 140.000 Euro.

Dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak soll Gaddafi ein Flugzeug geschenkt haben. Der langjährige ägyptische Geheimdienstchef Omar Suleiman, der auch im Nahost-Friedensprozess eine Rolle spielte, war nach Angaben des Ex-Diplomaten "Libyens Mann in Ägypten". Im Jemen unterstützte Gaddafi laut Schalgam verschiedene bewaffnete Gruppen.

Auch über die Macken des Gewaltherrschers breitet sich Schalgam aus. Angeblich hasst es Gaddafi, Dokumente zu unterzeichnen. Er regiere lieber mit telefonischen Anweisungen.

Was niemanden überrascht, der Gaddafi kennt: "Er hält sich selbst für eine außergewöhnliche Persönlichkeit", urteilt Schalgam. Der Politiker hatte den Ministerposten 2009 an Mussa Kussa abgegeben und war Botschafter Libyens bei den Vereinten Nationen in New York geworden. Sowohl Kussa als auch Schalgam reichten ihren Rücktritt ein, nachdem Gaddafi begonnen hatte, den Aufstand gegen sein Regime mit der Armee und ausländischen Söldnern zu bekämpfen.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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