Landtagswahl in NRW:Wählt noch einmal!

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Hannelore Kraft hatte nach der NRW-Wahl drei Machtoptionen. Jetzt hat sie keine mehr. Eine große Koalition ist keine Alternative. Was NRW braucht, ist ein radikaler Neustart.

Thorsten Denkler

Ein gefühlter Wahlsieg nutzt gar nichts, wenn die Mehrheiten fehlen, ihn Regierungsrealität werden zu lassen. Die Spitzenfrau der SPD in Nordrhein-Westfalen bekommt das jetzt zu spüren. Nach den gescheiterten Sondierungsgespräche über ein Linksbündnis und eine große Koalition musste Hannelore Kraft in der vergangenen Nacht auch ihre dritte Option beerdigen: Eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP.

Kein Koalitionspartner, nirgends: Hannelore Kraft hat keine Machtoption mehr. (Foto: dpa)

Das eigene Siegesgefühl, das muss ehrlicherweise gesagt werden, resultierte aus der herben Wahlniederlage für die CDU (minus zehn Prozentpunkte) und dem sehr guten Ergebnis der Grünen. Fast wäre eine eigene rot-grüne Mehrheit in NRW möglich gewesen. Es waren Sieg und Niederlage der anderen, die Kraft bestärkt haben, Anspruch auf den Posten des Ministerpräsidenten zu erheben - obwohl ihre SPD am Ende eine paar tausend Stimmen hinter der CDU gelandet war.

Vorzuwerfen ist ihr das nicht. Ihr Verhalten entspricht dem Grundgefühl der Menschen in NRW, die erkennbar einen Politikwechsel wollen. Anders steht es um Ministerpräsident Jürgen Rüttgers: Er hätte nach dieser krachenden Niederlage gleich am Wahlabend zurücktreten müssen. Offenbar will er den Rat seines hessischen Amtskollegen Roland Koch beherzigen und die Sache einfach aussitzen.

Jetzt müsse es einen neuen Anlauf für eine große Koalition geben, heißt es vor allem aus dem Unionslager. In klassischen Kategorien gedacht mag das stimmen. Die Sondierungsgespräche mit der CDU aber sind nicht umsonst gescheitert. Und offenbar macht die CDU keine Anstalten, für eine große Koalition wenigstens den Wahlverlierer Rüttgers zu opfern. Ohne seinen Rücktritt aber und einen erkennbaren Systemwechsel in der Schulpolitik wird die SPD einer großen Koalition nicht zustimmen können. Zu beidem ist die CDU nicht bereit.

Es bleibt nur ein weg: Neuwahlen. Das ist keine schöne Lösung. Die Wähler sollen im Prinzip nicht so lange ihre Stimme abgeben müssen, bis sie ein Ergebnis zusammengewählt haben, mit dem die Parteien etwas anfangen können.

Doch die Wähler in NRW können in dieser Situation nicht beides haben: eine stabile Regierung und zwei Parteien, die glaubwürdig bleiben. Kompromisse gehören zur Politik. In diesem Fall aber wären sie so groß, dass faul dafür noch eine harmlose Umschreibung wäre.

Neuwahlen wären auch eine Chance für einen Neustart der politischen Kultur in NRW. Im Wahlkampf haben die Parteien aufeinander eingedroschen, dass jeder Kesselflicker seine Freude gehabt hätte. In einem zweiten Wahlkampf hätten die Parteien die Chance, verbal abzurüsten. Andere Parteien sind keine Feinde, die es zu bekämpfen gilt. Sie sind Mitbewerber und im Fünf-Parteien-System automatisch potentielle Partner.

Bei allen Risiken, die Neuwahlen für die einzelnen Parteien bergen: Sie könnten eine reinigende Wirkung haben auf das Verhältnis der Parteien untereinander. Und damit auf das Verhältnis der Bürger zu ihrer Demokratie.

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