Wiederaufbau:Heftiger Streit im Landtag wegen Ahrtal-Flutkatastrophe

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Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Auch zwei Jahre nach dem Hochwasser in Rheinland-Pfalz mit vielen Toten schlagen die Emotionen im Parlament hoch. Gerade Ministerpräsidentin Malu Dreyer steht im Fokus der Oppositionskritik.

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Mainz (dpa/lrs) - Die politische Aufarbeitung der Flutkatastrophe im Ahrtal vor zwei Jahren hat im rheinland-pfälzischen Landtag zu einem emotionalen und scharfen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition geführt. Redner der Fraktionen von CDU, AfD und Freien Wähler warfen der Ampel-Regierung am Mittwoch im Parlament in Mainz erneut schwere Versäumnisse während und nach der Flutkatastrophe mit mindestens 136 Todesopfern in Rheinland-Pfalz vor. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sicherte den Menschen und Kommunen im Ahrtal beim Wiederaufbau weiter volle Unterstützung des Landes zu. Die Betroffenen würden zu keiner Zeit vergessen.

„Ich habe immer betont, wie wichtig eine Untersuchung der Ereignisse der Flutnacht ist, um die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen“, betonte Dreyer in ihrer Regierungserklärung anlässlich des zweiten Jahrestags der Ereignisse. „Ich sehe meine politische Verantwortung als Ministerpräsidentin darin, den Wiederaufbau mit aller Kraft zu unterstützen und den Katastrophen- und Hochwasserschutz neu aufzustellen.“

Zum 1. Januar 2025 werde daher ein Landesamt für den Brand- und Katastrophenschutz geschaffen, das direkt dem Innenministerium unterstellt sein wird. Herzstück werde dabei ein rund um die Uhr besetztes Lagezentrum Brand- und Katastrophenschutz bilden, kündigte die Regierungschefin an. Für die Anschaffung von geländegängigen und wasserdurchfahrtsfähigen Einsatzfahrzeugen habe das Land bereits im vergangenen Jahr ein Sonderförderprogramm auf den Weg gebracht. Zudem würden über 30 Millionen Euro in zwei technisch exzellent ausgerüstete Polizeihubschrauber investiert.

Als Ministerpräsidentin habe sie versprochen, dass das Land die Betroffenen zu keiner Zeit vergessen werde, betonte Dreyer. Die Menschen und die Betriebe im Ahrtal könnten sich darauf verlassen, dass die Region gemeinsam nachhaltig und zukunftsstark wieder aufgebaut werde. Die SPD-Politikerin sagte den Bürgern und den kommunal Verantwortlichen in den Flutgebieten zu, dass die Finanzmittel für den Wiederaufbau bereitstünden und kontinuierlich ausgezahlt würden.

Zwei Jahre nach der Flut lägen im Ahrtal Licht und Schatten noch eng beieinander. Wichtige Brücken und Straßen seien wieder befahrbar. Die digitale Infrastruktur schreite voran, der Tourismus ziehe wieder an und unter den Winzern sei eine Aufbruchstimmung spürbar, berichtete Dreyer. „Vieles ist bereits gelungen, doch ich kann diejenigen gut verstehen, denen es trotzdem noch zu langsam geht.“

„Wir werfen Ihnen nicht vor, nichts zu tun. Aber wir werfen Ihnen vor, zu wenig getan zu haben“, kritisierte dagegen CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder in Richtung Dreyer. „Sie stehen bei den Menschen im Ahrtal im Wort. Machen Sie den Wiederaufbau wirklich zu Ihrem Regierungsschwerpunkt.“

Viele Betroffene klagten auch zwei Jahre nach den Ereignissen nach wie vor über endlose Antragsverfahren und immer neue Gutachten, die von ihnen verlangt würden. Von rund 15 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfen in Rheinland-Pfalz seien lediglich rund eine Milliarde ausbezahlt, mahnte Schnieder. Von den Wiederaufbaumitteln seien nur 38 Prozent ausgezahlt. Bei den privaten Spendengeldern sehe es kaum besser aus.

Das Kabinett stehe für ein schwerwiegendes Staats- und Organisationsversagen während und nach der Flut. Schnieder warf der Ministerpräsidentin vor, sich bislang nicht in aller Deutlichkeit bei der Bevölkerung im Ahrtal entschuldigt zu haben. „Dabei warten die Menschen so sehr darauf.“

AfD-Fraktionschef Michael Frisch mahnte, nach zwei Jahren sei längst nicht alles getan. Es seien zusätzliche Anreize für den Wiederaufbau nötig. Er sprach von Staatsversagen ud forderte Dreyer auf, von ihrem Amt zurückzutreten. Auch der Fraktionschef der Freien Wähler, Joachim Streit, sagte, die Landesregierung müsse die politische Verantwortung übernehmen. Es gehe aber nicht um den Rücktritt der Regierungschefin. Dreyer sollte jedoch die Debatte im Landtag nutzen, um eine Entschuldigung auszusprechen.

Bei der Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021 sind allein in Rheinland-Pfalz mindestens 136 Menschen ums Leben gekommen. Im benachbarten Nordrhein-Westfalen starben bei Hochwasser nach extremem Starkregen 49 Menschen. Tausende Häuser wurden zerstört, Straßen und Brücken weggespült. Der Wiederaufbau ist auch zwei Jahre später noch lange nicht abgeschlossen.

© dpa-infocom, dpa:230718-99-447609/4

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