Landtag:Landtag ändert Verfassung: Unsicherheiten bleiben

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Blick in den Plenarsaal des Thüringer Landtags während der Sitzung. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Jahrelang haben die Abgeordneten um eine Verfassungsänderung gerungen. Trotz schwieriger Mehrheitsverhältnisse ist sie nun gelungen. Allerdings bleibt sie hinter den Erwartungen weit zurück.

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Erfurt (dpa/th) - Ehrenamt, Nachhaltigkeit und gleichwertige Lebensverhältnisse: In die Thüringer Landesverfassung werden drei neue Staatsziele aufgenommen. Dafür machte der Landtag am Freitag in Erfurt mit einer Zweidrittel-Mehrheit den Weg frei.

Künftig steht der Schutz und die Förderung des Ehrenamtes als Staatsziel in der Verfassung. Das Prinzip der Nachhaltigkeit wird zur Grundlage staatlichen Handelns und es wird die Aufforderung aufgenommen, dass das Land und seine Landkreise und Städte für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen soll - in allen Landesteilen.

Mehrheit wackelte in einem Punkt

Beim Thema Nachhaltigkeit wackelte die Mehrheit zunächst, konnte aber durch einen Ausgleich zwischen den politischen Kräften im Parlament erreicht werden. Die Gruppe der FDP hatte angekündigt, sich bei der Abstimmung über Nachhaltigkeit als Staatsziel enthalten zu wollen. Normalerweise hätten die Stimmen von Linke, SPD, Grünen und CDU trotzdem ausgereicht. Allerdings waren von diesen Fraktionen am Freitag nur 59 Abgeordnete anwesend - eine Stimme fehlte also. So war etwa der erkrankte SPD-Abgeordnete Matthias Hey nicht im Plenarsaal. Um diese unverschuldete Unwucht auszugleichen, stimmte der FDP-Abgeordnete Robert-Martin Montag für die Verfassungsänderung und glich damit die eine fehlende Stimme aus. FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich sagte im Anschluss, dies sei im Sinne der parlamentarischen Fairness geschehen. „Das ändert aber nichts an unserer Grundüberzeugung.“ Man habe die „schlimme Erkrankung“ von Hey nicht zum Anlass genommen, dass die Mehrheit nicht zustande komme

Bekenntnis zur EU

Mit der nun beschlossenen Verfassungsänderung wurde auch die Bezeichnung „Behinderte“ in „Menschen mit Behinderung“ geändert. Das sei zeitgemäß, sagte der Vorsitzende des Verfassungsausschusses, Stefan Schard (CDU). Außerdem wird in der Verfassung nun deutlicher formuliert, dass sich Thüringen als Land der Bundesrepublik und damit auch als Teil der Europäischen Union definiert. Der Europaausschuss wird in der Verfassung gestärkt - anders als die anderen Fachausschüsse soll er sich schon bei der Konstituierung des Landtags nach einer Wahl gründen und damit arbeitsfähig werden. Das Land soll die europäische Kooperation fördern.

Klarer als bisher wurde in der Verfassung festgeschrieben, dass die Kommunen vom Land finanziell entschädigt werden, wenn sie neue Aufgaben erledigen sollen und dadurch Kosten entstehen. Dieses Konnexität genannte Prinzip soll in der Landesverfassung am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Gesetze und Rechtsverordnungen sollen auch elektronisch ausgefertigt und verkündet werden können.

Keine Klarstellung zur Ministerpräsidentenwahl

Seit 2020 sollte ein Verfassungsausschuss mögliche Änderungen in der inzwischen mehr als 30 Jahre alten Landesverfassung herausarbeiten. Nach immer wieder aufflammenden Diskussionen ging es immer auch um die Ministerpräsidentenwahl. Ist ein Kandidat im dritten Wahlgang auch mit mehr Nein- als Ja-Stimmen gewählt, wenn er allein antritt? Diese Frage beschäftigte Thüringen in der Vergangenheit immer wieder, mehrere Fraktionen hatten sich daher für eine Klarstellung in der Verfassung ausgesprochen, doch am Ende zeichnete sich dafür keine Mehrheit ab.

Nicht nur in diesem Punkt blieb die Verfassungsänderung hinter den Erwartungen zurück. Experten hatten darauf hingewiesen, dass es keinen automatischen Mechanismus für eine Auflösung des Landtags gebe, wenn kein Ministerpräsident gewählt wurde.

Experten vom Forum Verfassungsblog hatten zudem mehrere Maßnahmen zum Schutz der Demokratie vor Extremisten angemahnt und eine deutlich weitreichendere Verfassungsänderung gefordert.

Mit Blick auf die am 1. September anstehende Landtagswahl gibt es Befürchtungen, dass einerseits eine Regierungsbildung erneut sehr schwierig und eine Ministerpräsidentenwahl mit Unsicherheiten behaftet sein könnten. Andererseits gibt es Sorgen, die in Thüringen als rechtsextrem eingestufte AfD könnte mehr als ein Drittel der Sitze im Parlament erhalten und so wichtige Entscheidungen blockieren, die eine Zweidrittel-Mehrheit erfordern.

© dpa-infocom, dpa:240426-99-819138/3

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