Kundus-Affäre: Entschädigung:Guttenberg bricht Verhandlungen ab

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Der Verteidigungsminister will nicht mehr mit Anwalt Popal verhandeln - es ist unklar, ob er die Opfer des Luftschlags rechtmäßig vertritt. Die Entschädigung soll nun anders geregelt werden.

Nach wochenlangem Streit hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Entschädigungs-Verhandlungen mit dem Anwalt einiger Opfer der Luftschläge von Kundus, Karim Popal, abgebrochen.

"Bei Herrn Popal ist bis heute die Mandatslage ungeklärt", sagte Guttenberg an diesem Dienstag zur Begründung. Zudem sei die von dem Anwalt vorgeschlagene Verwendung der Entschädigung in Höhe von mehreren Millionen Euro für Projekte in der Unruheregion Char Darah bei Kundus "derzeit nicht umsetzbar".

Die Entschädigungs-Verhandlungen sollen nun vom Auswärtigen Amt und vom Entwicklungsministerium direkt mit den Stammesältesten vor Ort geführt werden. Bei den von einem Bundeswehroberst befohlenen Luftschlägen auf zwei Tanklaster in Char Darah waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Wieviele Zivilisten darunter waren, ist bis heute unklar.

Das Verteidigungsministerium hatte im Winter eine Soforthilfe im Wert von 150.000 Euro für Brennholz, Decken, Kocher und Lebensmittel zur Verfügung gestellt. In den Verhandlungen mit dem Bremer Anwalt Popal ging es um eine zweite Entschädigungswelle, in der Projekte in der Region gefördert werden sollen.

"Wir bereiten eine Klage vor", sagte der Jurist Popal nun in Bremen. Dass das Verteidigungsministerium die Gespräche nach wochenlangem Streit beendet habe, sei ein Fehler. "In Wahrheit will das Ministerium keine Hilfe leisten und keine Entschädigung zahlen."

Popal gab nach Angaben des Verteidigungsministeriums an, knapp 80 Angehörige von Opfern des Bombardements zu vertreten. Später kam eine Menschenrechtsorganisation auf das Ministerium zu, die für einige derselben Mandanten sprach.

Popal betonte, die Mandatslage sei stabil. "Meine Mandanten wollen nur von mir vertreten werden, das habe ich schriftlich", erklärte er. Bei seiner Arbeit unterstützt wird Popal von dem Bremer Juristen Bernhard Docke. "Wir verstehen überhaupt nicht, warum sich die Bundesregierung so ziert, mit uns zu verhandeln", sagte Docke.

Auch er sehe nun keinen anderen Weg als eine Klage. "Mit uns müssen die Verhandlungen geführt werden." Wenn Guttenberg argumentiere, dass Sachleistungen nicht möglich seien, müsse es eben eine finanzielle Entschädigung geben.

Popal hatte vorgeschlagen, ein Witwen- und Waisenhaus sowie eine Teppichknüpferei in Char Darah mit den Regierungsgeldern bauen zu lassen. Nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums könnten solche Großprojekte aber innerhalb kürzester Zeit zum Anschlagsziel für radikal-islamische Taliban werden. Nun sollen kleinere Projekte in der Region für eine Förderung gefunden werden.

Vor dem Büro der unabhängigen Menschenrechtskommission (AIHRC) in Kundus-Stadt demonstrierten am Dienstag rund 70 Menschen aus den von dem Luftschlag betroffenen Distrikten Char Darah und Aliabad. Sie forderten eine zügige Entschädigung. Andernfalls müssten die Verantwortlichen für den Angriff vor Gericht gestellt werden.

Ein Demonstrant namens Nur Dschan, der nach seinen Angaben die rechte Hand bei dem Bombardement verloren hatte, sagte: "Die Deutschen haben versprochen, uns durch Karim Popal zu helfen, aber bis jetzt habe wir ihre Unterstützung nicht gesehen.

Entweder müssen sie ihre Versprechen erfüllen, oder diejenigen, die hinter diesen Angriffen steckten, müssen vor ein internationales Gericht."

AIHRC-Provinzchef Saidullah Paiwand versprach, die Forderungen an die afghanische und die deutsche Regierung weiterzuleiten. Er nannte den Luftschlag "unverzeihlich und nicht zu rechtfertigen".

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