Kuba:Revolution der Revolution

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Nach Fidel Castro stirbt in Kuba nun auch der Kommunismus.

Von Boris Herrmann

Wie der Kommunismus nach Havanna kam? Fidel Castro hat ihn jedenfalls nicht eingeschleppt, als er 1959 mit seiner Rebellenarmee aus den Bergen kam, um den Diktator Fulgencio Batista zu verjagen. Noch Monate später erklärte er, seine Revolution sei weder links noch rechts, keineswegs "rot, sondern olivgrün". Der Sohn aus bürgerlichem Hause hatte als Internatsschüler eines Jesuitenkollegs sogar einen schwärmerischen Brief an den damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt geschrieben. Es gehört zu den vielen Pointen im Leben Fidel Castros, dass ausgerechnet er eines Tages die gefürchtetste Filiale des Weltkommunismus in der westlichen Hemisphäre leiten sollte.

Er ist da eher hineingeschlittert. Vielleicht war es enttäuschte Liebe nach der schroffen Zurückweisung seines olivgrünen Umsturzes seitens des Weißen Hauses, gepaart mit der Einsicht, dass die kubanische Utopie nur mit Hilfe Moskaus überlebensfähig sein würde. Zwischen den Blöcken des Kalten Krieges war kein Platz für ideologische Kompromisse. 1976 wurde der Aufbau einer "kommunistischen Gesellschaft" als Staatsziel in Kubas Verfassung verankert.

Vor gut anderthalb Jahren haben die Kubaner ihren Revolutionsführer mit Pauken und Trompeten zu Grabe getragen, eher still und leise wird nun der karibische Kommunismus beerdigt. Das Parlament in Havanna berät noch bis zu diesem Montag über den Text einer Verfassungsreform. Fest steht schon, dass es eine symbolträchtige Änderung in Artikel fünf gibt: Die Passage mit der kommunistischen Gesellschaft wird gestrichen. Fortan soll nur noch am Aufbau des Sozialismus gearbeitet werden. "Das bedeutet nicht, dass wir uns von unseren Ideen verabschieden", zitieren staatliche Medien Parlamentspräsident Esteban Lazo. Vielmehr gehe es darum, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen Rechnung zu tragen. Die Verfassung wird mithin - ein wenig - an die Realität angepasst.

Wer die kubanischen Widersprüche schätzt, kommt aber auch künftig auf seine Kosten. Das Land begibt sich nun in die paradoxe Situation, sich formell vom Kommunismus zu verabschieden, während die 1965 gegründete Kommunistische Partei die einzige maßgebliche politische Kraft bleibt. Höchste Parteikader, darunter der Erste Sekretär Raúl Castro sowie der neue Staatspräsident Miguel Díaz-Canel, räumen allerdings ein, dass die "Rolle des Marktes" nicht länger ignoriert werden könne. Nahezu 600 000 Kubaner arbeiten im bislang allenfalls geduldeten Privatsektor. Ihre kleinen und mittleren Unternehmen sollen nun verfassungsrechtlich anerkannt werden.

Im Gegensatz zu seinem übergroßen Bruder hat Raúl Castro verstanden, dass er Tabus brechen muss, um von dem maroden Modell zu retten, was noch zu retten ist. Dazu zählt sein historischer Handschlag mit Obama, aber sicherlich auch diese Verfassungsreform, die nicht zuletzt den Weg für die Homo-Ehe frei macht. Außerdem wird die Amtszeit des Präsidenten auf zehn Jahre begrenzt. Auch das ist eine kleine Revolution der Revolution. Zu Raúls Vermächtnis wird gehören, dass es eine Karriere wie die von Fidel in Kuba künftig nicht mehr geben kann.

© SZ vom 23.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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