Kritik an Pofalla aus eigenen Reihen:"Du hast deine Wähler betrogen"

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CDU-Mann Ronald Pofalla vor einem Jahr in Berlin. Der frühere Kanzleramtschef will zur Bahn wechseln. (Foto: dpa)

Die CDU Niederrhein ist stinksauer auf ihren Chef. Der heißt Ronald Pofalla und plant, in den Vorstand der Bahn zu wechseln. Seit dieser Nachricht ist Pofallas Ansehen bei den Parteifreunden im Keller. Für manch einen ist er jetzt sogar mehr Feind als Freund.

Von Hans Leyendecker

Im April 2013 traf sich der Bezirksvorstand der CDU Niederrhein zu einer Klausurtagung in Berlin, und das Programm war ungewöhnlich anspruchsvoll. Erster Tag: Gespräch mit dem Fraktionschef der Union, anschließend Gespräch mit der Kanzlerin, Fototermin, Führung durchs Kanzleramt, dessen Amtschef Ronald Pofalla, der Bezirkschef der CDU, war.

Zweiter Tag: Gespräche mit drei Bundesministern, Mittagessen in der CDU-Bundesgeschäftsstelle, Abendessen im Bahntower am Potsdamer Platz. Treffen mit dem Bahnchef Rüdiger Grube. Pofalla und Grube duzten sich, das freute damals einige der Christdemokraten vom Niederrhein. Gute Beziehungen zur Bahn ganz oben können vor Ort wertvoll sein.

Verdrossenheit auf allen Seiten

Seitdem aber feststeht, dass Pofalla in den Vorstand der Bahn wechseln soll und er deshalb sein Bundestagsmandat zurückgeben will, ist es mit den Freundlichkeiten vorbei. Der Kreisvorsitzende der CDU in Kleve, Günther Bergmann, ein Unternehmensberater, zeigt sich "irritiert", die CDU-Basis gibt sich enttäuscht: "Du hast deine Wähler und die CDU im Kreis Kleve jämmerlich im Stich gelassen. Man könnte sagen, du hast deine Wähler betrogen." Diese Mail des CDU-Ratsmitglieds Christoph Andreas aus Straelen kursiert in der NRW-CDU. Andreas findet das Verhalten seines Parteifreundes "unentschuldbar" und macht Pofalla schon heute für künftige "Politikverdrossenheit" verantwortlich.

Die Personalie Pofalla hat nicht nur im Berliner Politikbetrieb für Verwirrung gesorgt; sein Ansehen ist in der Region, aus der er stammt, bei einigen seiner Gefährten rapide gesunken. Manche reden über ihn wie über einen politischen Gegner.

Die Wut der Basis speist sich aus vielen Quellen - Eigennutz spielt eine Rolle: Zum ersten Mal seit 1949 hätte das schwarze Kleve bei einem Mandatsverzicht Pofallas keinen Abgeordneten mehr im Bundestag. Die CDU ist dort eine Größe. Allein der Kreisverband hat knapp 4000 Mitglieder.

Sprachlosigkeit am Niederrhein

CDU-Funktionäre jammern, ihr Einsatz im Bundestagswahlkampf 2013 (Pofalla holte 50,9 Prozent der Stimmen) sei offensichtlich "für die Katz gewesen". Aber vor allem der Umgang Pofallas mit der Partei sorgt für Verdruss. Der 54-Jährige fiel durch ungewöhnliche Sprachlosigkeit auf. Am 13. Dezember traf sich der Kreisvorstand abends im Ratskeller zu Kalkar zur Jahresabschlusssitzung, Pofalla kam etwas später. Er hielt eine kleine Rede zur Lage. Was man so sagt, nichts Besonderes. Ein paar Minuten nach Ende der Sitzung lief in den Nachrichten die Vorabmeldung, dass Pofalla möglicherweise zur Bahn wechseln werde. Kein Wort hatte er darüber gegenüber den Leuten verloren, die mit ihm seinen Wahlkampf gemacht hatten. Das sorgte und sorgt für Verbitterung.

Bergmann telefonierte anderntags mit ihm. Pofalla wiegelte ab. Alles bleibe so wie bisher. Kein Grund zur Aufregung. Dann hat er sich nicht mehr bei dem Kreisvorsitzenden gemeldet. Bergmann schickte ihm eine SMS. Pofalla antwortete ihm nicht.

Heute fällt auf, dass Pofalla, der seit 2000 Bezirksvorsitzender der CDU Niederrhein und seit 2007 Ehrenvorsitzender des Kreisverbandes Kleve ist, schon eine Weile nicht mehr unumstritten war. Als er 2009 eine Kandidatin für die Landtagswahl durchsetzen wollte, rebellierte die Partei gegen ihn. Bei der Wahl wurde Pofalla von den eigenen Leuten ausgebuht und sogar beschimpft. Seine Kandidatin erhielt 125 Stimmen, die Gegenkandidatin bekam 309 Stimmen. Über 400 Mitglieder bei einer Wahl - das war ein Rekord und das Ziel des Protestes war auch der Chef.

Als Pofalla, der merkwürdig still und dann wieder aufbrausend sein kann, in Berlin Übles über den beliebten Parteifreund Wolfgang Bosbach gesagt hatte ("Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen") rumorte es selbst bei der CDU am Niederrhein. Die Verärgerung von damals ist nichts gegen die Wut heute. In dieser Woche ist wieder Klausursitzung des CDU-Kreisverbandes. Parteifreunde wollen dann Pofalla fragen, ob sie sich in Berliner Angelegenheiten an seine Gegenkandidatin im Bundestagswahlkampf wenden sollen. Die heißt Barbara Hendricks, kommt von der SPD und ist jetzt Ministerin.

© SZ vom 07.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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