SZ: Was müsste Ihrer Ansicht nach passieren, dass die katholische Kirche aus der Krise herauskommt?
Boff: Der Vatikan und viele Bischöfe unternehmen alles, um Pädophilie und Zölibat voneinander zu trennen. Pädophilie ist eine Abartigkeit des Verhaltens, die mit einer schlecht integrierten Sexualität zu tun hat. Das will der Vatikan nicht sehen, aber er wird noch dazu gezwungen werden, es so zu sehen. Der Zölibat bleibt außerhalb der Diskussion, weil er viel über die Struktur der Kirche verrät. Sie ist eine totalitäre Religionsgemeinschaft, autoritär, zentralisiert und monosexuell, weil nur zölibatäre Männer in ihren Dienst eintreten können. Aus Sicht der Kirche ist es sehr bequem, dass sie völlig über Menschen verfügen kann, die ihr auch noch alles ausliefern - Leben, Bindungen, Familie.
SZ: Was sollte der Papst tun?
Boff: Der Papst ist Geisel einer konservativen und doktrinären Sicht auf das Christentum, er ist unfähig, grundlegende Reformen vorzuschlagen. Nur ein Konzil aus Bischöfen und Vertretern von christlichen Gemeinden aus der ganzen Welt wird die Kirche vor dem völligen Niedergang und totalen Zersetzung retten können. Das Vermächtnis Jesu hat dieses Schicksal nicht verdient.
SZ: Die evangelische Kirche dagegen muss sich weder mit dem Zölibat noch mit einem unfehlbaren Papst herumschlagen. Trotzdem sind auch dort die Kirchen leer. Warum?
Boff: Fast alle christlichen Kirchen weisen fundamentalistische Tendenzen auf. Sie glauben, dass nur sie über die göttliche Offenbarung verfügen. Protestanten folgen der Bibel, Katholiken dem Papst. Sie halten es gar nicht für nötig, auf Gott zu hören, der sich in der Geschichte und im Leben der Menschen mitteilt.