Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat Altkanzler Helmut Kohl (beide CDU) schwere Versäumnisse bei der Vorbereitung der Gemeinschaftswährung vorgeworfen. "Helmut Kohl war der Zeitplan letztlich wichtiger als die Stabilität", sagte Biedenkopf dem Nachrichtenmagazin Focus. Darum habe Kohl auch sein politisches Schicksal mit dem Euro verbunden und damit eine rationale Debatte verhindert.
Schon während der Verhandlungen zum europäischen Stabilitätspakt sei deutlich geworden, dass die meisten Länder eine strikte Sparpolitik nicht mittragen werden. "Kohl konnte nicht ernsthaft darauf hoffen, dass die Stabilitätskriterien eingehalten würden", sagte Biedenkopf weiter.
Rückendeckung erhält er dabei vom Kohl-Biografen Hans-Peter Schwarz. Der Altkanzler trage eine "maßgebliche Mitverantwortung" für die heutige Euro-Krise, sagte Schwarz dem Magazin. Kohl sei fest davon überzeugt gewesen, dass eine gemeinsame Währung die europäische Einigung unumkehrbar machen würde. "Dem hat er alles andere untergeordnet."
Auch Dieter Spethmann, langjähriger Thyssen-Vorstandsvorsitzender, macht Kohl nach Focus-Angaben Vorwürfe: "Kohl kannte die vielen berechtigten Einwände gegen die Einführung des Euro." Aber er habe sie alle beiseite gewischt.
Am 1. Oktober jährt sich der Amtsantritt Kohls als Bundeskanzler zum 30. Mal. Der 82-Jährige soll eine eigene Briefmarke bekommen, was unüblich ist. Zu Lebzeiten wurden bislang nur Bundespräsidenten und Papst Benedikt XVI. mit einer Briefmarke bedacht.