Krise in der Ukraine:Einen Schritt zurück

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Was in der Ostukraine geschieht, kann Putin nicht gefallen. (Foto: AFP)

Putin will vermutlich keine Abspaltung der Ostukraine. Dem Kremlchef reicht es, Einfluss auf einen föderalen Ostteil des Landes zu nehmen. Aus gutem Grund.

Ein Kommentar von Cathrin Kahlweit

Auch wenn die Separatisten in der Ostukraine nun, komme, was da wolle, ihr Referendum am 11. Mai durchziehen, so ist doch etwas in Bewegung gekommen. Nur was, und warum?

Wochenlang hatte der Westen darauf gewartet, dass Wladimir Putin sich bekennt, dass er mit den prorussischen Separatisten spricht, ihnen wahlweise Einhalt gebietet oder aber sie ermuntert, dass er also mehr Klarheit schafft über seine Ziele und Absichten in der Ostukraine. Was das angeht, ist die Lage nun, da er eine Verschiebung der Abstimmung angeregt hat, nicht viel eindeutiger. Aber sie lässt zumindest einige begründete Vermutungen zu.

Was in der Ostukraine geschieht, kann Moskau nicht gefallen. Verbündete, die Terror verbreiten, mag auch der auf Ordnung und klare Befehlsstrukturen bedachte russische Präsident nicht haben: Neben professionellen Kämpfern und geschulten Agitatoren tummeln sich im Donbass eitle Neu-Politiker dubioser Provenienz, Schläger und Hooligans sowie kriminelle Banden, die Banken und Geschäfte ausrauben. Und, das darf nicht vergessen werden, auch ehrlich empörte Bürger, die nicht mögen, was sie aus Kiew hören.

Der Kreml will vermutlich keine Abspaltung der Ostukraine

Die Parteien, die im Osten einst das Sagen hatten, allen voran die Partei der Regionen, sind zerfallen; die Präsidentschaftskandidaten der früheren Regierungspartei liegen in Umfragen alle bei weit unter zehn Prozent, und auch die Vaterlandspartei von Julia Timoschenko steht nicht viel besser da. Moskau hat im Osten des Landes keine seriösen Gesprächspartner mehr, aber auch keinen hundertprozentigen Einfluss auf die Separatisten. Eine fatale Lage. Wer da was will - sei es einen Donbass-Staat oder eine Angliederung an Russland - das dürfte auch den Strategen in Moskau nicht immer ganz klar sein.

Die Abstimmung am Wochenende soll nun erst einmal eine oder sogar zwei unabhängige Ostrepubliken in Donezk und Lugansk hervorbringen, die aber weder von Kiew noch dem Rest der Welt anerkannt würden. Sollte sich die Mehrheit der Wähler dafür aussprechen, hat Moskau ein strategisches Problem. Denn dann könnten die Separatisten vom Kreml in letzter Konsequenz fordern, das Ergebnis mit Gewalt durchsetzen zu helfen - obwohl die Mehrheit der Bürger in der Region allen bekannten Umfragen zufolge massive Zweifel an einer Abspaltung von der Ukraine hat.

Denn der Donbass ist nicht die Krim. Die Begeisterung für den Zerfall des Landes hält sich dort in Grenzen, aus historischen und ethnischen Gründen. Moskau wäre in den Augen der Mehrheit wohl kein Retter. Welche Rolle aber würde es dann dort selbst spielen wollen?

Kiew muss mit den Seperatisten reden

Nein, das ist alles zu unübersichtlich und wird mit jedem Tag, an dem das Chaos im Donbass zunimmt, unübersichtlicher. Ganz zu schweigen davon, dass eine Angliederung der Region an Russland, so sie je zustande käme, unabsehbare Folgen für den russischen Staatshaushalt hätte. Der Donbass - das sind längst keine blühenden Landschaften mehr, und jede Investition in Infrastruktur und Industrie würde Milliarden kosten, die Moskau nicht hätte.

Also geht Putin einen Schritt zurück, distanziert sich von Separatisten und Referendum und macht die Angelegenheit damit wieder zu einer innerukrainischen Krise, die ein Problem der Kiewer Regierung bleibt. Die muss nun überlegen, ob sie tut, was sie bisher kategorisch verneint hat: mit denen zu reden, die in Moskau "Opposition" heißen und in Kiew "Terroristen" genannt werden. Sie wäre gut beraten, das zu tun, so schwer das den um Demokratie und Rechtsstaat bemühten Kräften in der Hauptstadt fallen dürfte. Aber es ist die einzige Lösung, die eine Chance auf eine friedliche, einige, wenngleich föderale Ukraine böte. Womit Wladimir Putin sein mutmaßliches Ziel schließlich doch erreicht hätte.

© SZ vom 09.05.2014/uga - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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