Krieg in Libyen:Rebellen drängen Gaddafis Soldaten zurück

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Mit Hilfe der internationalen Militärkoalition haben die Aufständischen in Libyen die Städte Adschdabija und Ras Lanuf eingenommen - und drängen auf Gaddafis Geburtsort Sirte zu. Diktator Gaddafi muss den Verlust der Ölquellen fürchten.

Im Schutz der westlichen Militärkoalition sind die libyschen Rebellen am Wochenende weit nach Westen vorgerückt. Nach den Städten Adschdabija und Brega fiel den Aufständischen am Sonntag auch der strategisch wichtige Ölhafen Ras Lanuf rund 660 Kilometer südöstlich von Tripolis wieder in die Hände. Wie schon Stunden zuvor in Brega trafen sie auf keinen Widerstand der Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi, berichtete ein Korrespondent der BBC aus der Region.

Libysche Rebellen auf dem Weg nach Brega - am Sonntag eroberten sie die Stadt von den Gaddafi-treuen Truppen zurück. (Foto: dpa)

Die Aufständischen hatten erst am Samstag die Stadt Adschdabija, 160 Kilometer südlich von Bengasi, eingenommen. Den Bodengewinnen der Regimegegner waren in der Nacht zum Samstag massive Luftangriffe der internationalen Militärallianz auf die Gaddafi-Truppen bei Adschdabija vorausgegangen. Seitdem befinden diese sich auf einem eiligen Rückzug in Richtung Sirte, der 560 Kilometer südwestlich von Bengasi gelegenen Geburtsstadt Gaddafis. Die Rebellen wollen nun nach eigenem Bekunden dorthin vormarschieren.

Nach Ansicht von Großbritanniens Verteidigungsminister Liam Fox sind die Aufständischen bald in der Lage, die Kontrolle über die Ölexporte des Landes zu übernehmen. Damit könnten sie die "politische Dynamik" des Konfliktes entscheidend ändern, sagte Fox am Sonntag in einem Interview der BBC. Die Fortschritte vom Wochenende könnten den Aufständischen nun den Weg hin zu den für den Öl-Handel wichtigen Häfen öffnen.

Nach US-Angaben wenden sich auch immer mehr Gefolgsleute von Machthaber Muammar al-Gaddafi ab. Sie wisse von "zahlreichen Diplomaten und Armee-Oberen", die "umschwenken, die Seiten wechseln oder desertieren, weil sie sehen, wie alles enden wird", sagte US-Außenminister Hillary Clinton am Sonntag dem US-Fernsehsender CBS. Verteidigungsminister Robert Gates sagte dem Sender, wenn "Mitglieder des Regimes ins Wanken" gerieten, dürften die Auswirkungen "nicht unterschätzt" werden.

Nachdem sich die Nato am Donnerstag geeinigt hatte, die Flugverbotszone über Libyen zu überwachen, aber von offensiven Angriffen abzusehen, wollen die 28 Botschafter der Allianz am Sonntag über eine Übernahme des gesamten Einsatzes entscheiden. Am Dienstag treffen sich zudem die Nato-Außenminister in London.

Italien will dann nach den Worten von Außenminister Franco Frattini zusammen mit Deutschland einen Plan zur Beilegung der Libyen-Krise vorlegen. Er sehe einen Waffenstillstand sowie ein Exil für den libyschen Machthaber Muammar Gaddafi vor, sagte Frattini in einem am Sonntag in der Zeitung La Repubblica veröffentlichten Interview. Seine Regierung wolle versuchen, Deutschland für diesen Plan zu gewinnen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte dazu, Deutschland führe mit allen internationalen Partnern Gespräche über eine Lösung der Libyen-Krise.

Derweil bereitete sich die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa auf die Ankunft Hunderter Flüchtlinge aus Libyen vor. In der Nacht erreichte ein erstes Boot mit fast 300 Menschen an Bord die kleine Insel Linosa nördlich von Lampedusa, wie die italienische Küstenwache und Menschenrechtsorganisationen mitteilten. Unter den vor allem aus Eritrea und Äthiopien stammenden Flüchtlingen, die vor der Gewalt in Libyen flohen, befanden sich demnach 80 Frauen und zwölf Kinder. Sie hatten Tripolis in der Nacht zum Freitag verlassen. Es war das erste Flüchtlingsschiff seit dem Beginn der Proteste gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi, das in Italien ankam.

Das Boot habe sich bei seinem Zusammentreffen mit der Küstenwache in einem außerordentlich schlechten Zustand befunden, berichteten Menschenrechtler. Eine Frau, die während der Überfahrt entbunden habe, sei zusammen mit ihrem Neugeborenen in einem Militärhubschrauber zu einem Krankenhaus auf Lampedusa geflogen worden. Eine Schwangere, die demnach ebenfalls in eine Klinik gebracht wurde, habe ihr Kind verloren. Die übrigen Flüchtlinge sollten mit einer Fähre in ein Aufnahmelager nach Sizilien gebracht werden.

Harsche Kritik an der Haltung der schwarz-gelben Regierung

Die Haltung der Bundesregierung zum Militäreinsatz in Libyen stößt unterdessen auch in den Reihen der Union auf scharfe Kritik. Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) bewertete die Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung zur Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen sogar als schweren Fehler von "historischer Dimension mit unvermeidlichen Spätfolgen". Der frühere Postminister und EU-Sonderbeauftragte für Bosnien, Christian Schwarz-Schilling (CDU), warf der Regierung "historischen Zynismus" vor.

Auch der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy kritisierte im Spiegel das Verhalten der deutschen Regierung in dieser Krise und sprach von einer "Katastrophe, vor allem für die Libyer, aber auch für die Deutschen". Deutschland werde diese Enthaltung "noch bitter bezahlen" und Probleme bekommen beim Streben nach einem ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat.

Kanzlerin Merkel wirft Lévy weiter vor, sie habe "alle Grundlagen der deutschen Außenpolitik seit Kriegsende über den Haufen geworfen". Sie habe den schlechtesten Außenminister seit sehr langer Zeit: "Guido Westerwelle ist ein Desaster." Er müsse eigentlich gehen, scheine sich jedoch für seine Entscheidung noch "nicht einmal zu schämen, für dieses Tal der Schande".

© sueddeutsche.de/Reuters/AFP/dpa/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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