Krieg in Libyen:"Gaddafi bleibt nur der Rücktritt"

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Die mehr als 30 Staaten der Libyen-Kontaktgruppe haben dem Regime von Machthaber Gaddafi die Rechtmäßigkeit abgesprochen und den Übergangsrat der Rebellen als legitime Regierung Libyens anerkannt. Gaddafi will indes bis zum letzten Blutstropfen kämpfen.

Tomas Avenarius

Die internationale Libyen-Kontaktgruppe hat dem seit 42 Jahren herrschenden Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi jede Legitimation aberkannt. Als Repräsentant des nordafrikanischen Ölstaats mit Regierungsvollmacht sieht die Gruppe nun den Nationalen Übergangsrat der Rebellen. Italiens Außenminister Franco Frattini sagte bei dem Treffen am Freitag in Istanbul, Gaddafi bleibe nur der Rücktritt. Die Gruppe, in der Vertreter westlicher und arabischer Staaten sitzen, will einen UN-Sonderbeauftragten entsenden, um dem Autokraten die Bedingungen für einen Waffenstillstand und seinen Abgang zu übermitteln.

Immer wieder Demonstrationen gegen Gaddafi - in Libyen und auch in der Türkei, wo sich die internationale Libyen-Kontaktgruppe traf. (Foto: AFP)

Die etwa 30 Kontaktgruppen-Staaten unterstützen das militärische Vorgehen der Nato, suchen aber zugleich nach einer Verhandlungslösung in dem fünf Monate dauernden Bürgerkrieg. Vertreten sind unter anderen die USA, Frankreich, Italien und Großbritannien. Deutschland, das sich am militärischen Vorgehen nicht beteiligt, nahm auch teil. Russland und China, die das Nato-Vorgehen ablehnen, schlugen eine Einladung aus.

Mit der Anerkennung durch die Gruppe steigen die Chancen der Aufständischen auf Wirtschaftshilfe: Da ihr Übergangsrat als Vorform einer Regierung anerkannt wird, können Gelder aus eingefrorenen internationalen Konten der Gaddafi-Regierung ausgezahlt werden. Die Gruppe forderte, dass mit der Bildung einer Übergangsregierung begonnen werde. Militärisch tat sich nichts zu Gunsten der Rebellen: Ihr Versuch, die Ölstadt Brega im Osten zu erobern, scheiterte trotz Unterstützung von Nato-Flugzeugen. Die Aufständischen kontrollieren Ostlibyen, die Regierung weite Teile des Westens mit der Hauptstadt Tripolis. Die Nato bombardiert seit vier Monaten. Laut offizieller Lesart sollen auf Basis einer UN-Resolution Zivilisten geschützt werden. Offensichtlich ist, dass das Bündnis Gaddafis Sturz betreibt.

Der Nato-Partner Türkei warb bei dem Treffen für noch stärkere Unterstützung der Regimegegner. Außenminister Ahmet Davutoglu schlug mehr Finanzhilfe für die Rebellen vor, denen trotz früherer internationaler Versprechen das Geld ausgeht. Ankara rät nach Informationen eines türkischen Senders zu einer Waffenruhe: Umkämpfte Städte sollten mit Wasser, Nahrung und Benzin versorgt werden. Die Nato solle ihre Angriffe einstellen, um zivile Opfer vor dem Fastenmonat Ramadan im August zu vermeiden. Das Gaddafi-Regime selbst stellte klar, dass der Revolutionsführer nicht aufgeben werde.

Die französische Regierung hatte das unter Berufung auf Kontakte zum Regime behauptet. Gaddafis Sprecher Mussa Ibrahim sagte, man werde "bis zum letzten Blutstropfen kämpfen und alle töten, die Tripolis angreifen - Rebellen und Nato-Soldaten". Der Autokrat selbst warf der Nato vor, Zivilisten zu töten. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von Kindern, die angeblich bei Luftangriffen umgekommen sind. "Das sind die Engel, die ihr mit euren Kriegsschiffen und Flugzeugen tötet", sagte Gaddafi, der bei der TV-Rede nicht zu sehen war. Er meldet sich nur mit Audio-Botschaften zu Wort, weil Fernsehstudios nach früheren Auftritten bombardiert worden waren. Das Regime behauptet, bei den Nato-Angriffen seien mehr als 1100 Menschen getötet worden.

Unterdessen klagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen mehr Unterstützung der Bündisstaaten ein: "Wir können die Zivilisten nicht schützen, wenn wir nicht bereit sind, wichtige Militäreinheiten am Boden auszuschalten, die zu Angriffen auf Zivilisten eingesetzt werden können." Großbritannien stellt nun vier weitere Tornados. Andere an den Angriffen beteiligte Staaten wie Norwegen und die Niederlande zeigten weniger Begeisterung: Es wächst die Ungeduld über Dauer und Verlauf des Kriegs.

© SZ vom 16.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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