Konflikte:Fragen und Antworten: Gasstreit um Schulden und Rabatte

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Moskau (dpa) - Erbittert streiten Moskau und Kiew um die Preise für russische Gaslieferungen in die Ukraine, die auch das wichtigste Transitland für den Energiefluss in den Westen ist.

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Moskau (dpa) - Erbittert streiten Moskau und Kiew um die Preise für russische Gaslieferungen in die Ukraine, die auch das wichtigste Transitland für den Energiefluss in den Westen ist.

Scheitert eine Einigung, droht schon von diesem Dienstag (10. Juli) an ein Lieferstopp, der - wie bei einem Gaskrieg 2009 - auch zu Engpässen in der EU führen könnte. Die Speicher im Westen sind allerdings gut gefüllt. Zur Bedeutung des Gasstreits einige Fragen und Antworten:

Worum geht es in dem Gasstreit?

Kiew will deutlich weniger für die russischen Energielieferungen bezahlen als Moskau fordert. Laut Vertrag von 2009, der noch bis 2019 gilt, hat Russland aktuell Anspruch auf 485 US-Dollar je 1000 Kubikmeter. Zahlen will die Ukraine aber nur 268,5 US-Dollar, weil sie den Vertragspreis für übertrieben und angesichts der Krise zwischen beiden Staaten für politisch motiviert hält. Die Russen sind zwar bereit, wie in der Vergangenheit Rabatte zu gewähren. Damit aber überhaupt erst einmal darüber verhandelt wird, fordern sie, dass die Ukrainer zunächst ihre Schulden bezahlen.

Wie hoch genau sind diese Schulden?

Der russische Energieriese Gazprom gibt sie aktuell mit 4,445 Milliarden US-Dollar (3,257 Milliarden Euro) an: 1,454 Milliarden US-Dollar für Gaslieferungen von November bis Dezember 2013 und 3 Milliarden US-Dollar für April und Mai 2014. Bezahlt hat die Ukraine nach langen Verhandlungen unter Vermittlung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger bisher nur 786 Millionen US-Dollar für das erste Quartal dieses Jahres. Außerdem liegt schon die Juni-Rechnung von 1,6 Milliarden US-Dollar auf dem Tisch.

Zu welchen Zugeständnissen ist Russland bereit?

Russland will nur von dem Vertragspreis abweichen und neue Rabatte gewähren, wenn die Ukraine ihre Schulden in voller Höhe bezahlt. Dann würde Moskau nach Angaben von Energiepolitikern einen Rabatt gewähren und künftig etwa 380 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas verlangen. Die Ukraine will allerdings nur einen zuletzt gewährten Rabattpreis von 268,5 US-Dollar bezahlen. Die EU als Vermittler in dem Streit liegt hier aber eher auf russischer Linie.

Was hat es mit dem Vorwurf auf sich, dass Russland Gas als „politische Waffe“ einsetze?

In jedem Land gibt es andere Preise für die Energielieferungen aus Russland. Dabei fällt im postsowjetischen Raum auf, dass mit Russland „befreunde“ Staaten deutlich weniger bezahlen als solche, die auf Konfrontationskurs sind. Das ist auch im Fall Ukraine so. Allerdings galt gerade der nun von Kiew wieder geforderte Preis von 268,5 US-Dollar als politischer Preis und nicht als marktüblich. Moskau hatte diesen dem Land noch unter dem inzwischen gestürzten prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gewährt. Wer aber unabhängig sein will, so die Meinung in Moskau, soll Marktpreise akzeptieren.

Was kann die verarmte Ukraine der Energiegroßmacht entgegensetzen?

Die Ex-Sowjetrepublik hat kaum eigenes Gas, will sich aber vor allem mit US-Hilfe nun in die ökologisch umstrittene Förderung von Schiefergas vertiefen. Möglich sind auch Flüssiggaslieferungen aus den USA. Außerdem setzt die Ukraine auf ihre Stellung als wichtigstes Transitland für den Fluss des Gases nach Westen. Weil einige Länder weniger bezahlen für russisches Gas, könnten diese die Energie auch an die Ukraine zurückpumpen. Außerdem soll das marode Leitungsnetz erneuert werden, mit dem das Land von Russland weiter wichtige Transitgebühren kassieren kann.

Russland hat wegen der Dauerprobleme mit der Ukraine die Ostseepipeline gebaut. Wie steht es um die neue Leitung South Stream?

Damit will Russland noch unabhängiger von dem Transit durch die Ukraine werden. Allerdings wirft Moskau der EU-Kommission in Brüssel vor, das Pipelineprojekt South Stream verhindern zu wollen. Die EU baue ständige neue Hürden, schimpft Moskau. „Wir schauen auch nach anderen Varianten, die nicht durch die EU laufen“, sagte Kremlchef Wladimir Putin unlängst zur Zukunft des Projekts. An dem bereits begonnen Milliardenbau sind Energieversorger aus Italien, Deutschland und Frankreich beteiligt.

Was tut der Westen, um die russische Energiemacht zu schwächen?

Allem Anschein nach wollen die EU und die USA South Stream stoppen. Die EU scheiterte zuletzt mit ihrem Konkurrenzprojekt Nabucco - die Leitung sollte unter Umgehung Russlands gebaut werden. Die Russen vermuten angesichts aktueller Spannungen aber auch Interessen der USA. „Sie wollen das Schicksal von South Stream nicht nur aus politischen Gründen erschweren“, schreibt die Zeitung „Kommersant“. Nach Informationen des Blatts könnte die Ukraine ihr Gasleitungsnetz unter die Kontrolle von europäischen und US-Firmen geben, um so South Stream unnötig zu machen.

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