Kolumbien:Trippelschritte in die Legalität

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Die toten Führer der Rebellen sind zur Erinnerung dabei beim Partei-Gründungskongress der Farc in Bogotá. (Foto: Fernando Vergara/AP)

Jahrzehnte lang kämpften sie als Rebellen im Untergrund. In dieser Woche will die Farc sich von der Guerilla-Truppe zur Partei verwandeln.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

In kurzen Abständen explodierten mehrere Bomben rund um die Plaza de Bolívar im Zentrum von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. 17 Menschen starben, darunter drei kleine Kinder. Auch das Nationalkapitol, wo der Kongress tagt, sowie der nahe gelegene Präsidentenpalast wurden angegriffen. Die Botschaft war eindeutig: Nieder mit dem kolumbianischen Staat! Kaum jemand hatte Zweifel daran, von wem diese Botschaft stammte: von der größten Guerilla des Landes, der Farc. Das war im August 2002, am Tag der Amtseinführung von Präsident Álvaro Uribe, der als Großgrundbesitzer und führender Kommunistenhasser stets das perfekte Feindbild der marxistisch-leninistischen Rebellen abgab. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit, bis heute. Aber Kolumbien ist jetzt ein anderes Land.

Genau 15 Jahre nach der Anschlagsserie wird die Farc die Plaza de Bolívar mit Genehmigung des Rathauses von Bogotá einnehmen. Sie will sie sich dort in aller Öffentlichkeit als Kampftruppe auflösen und gleichzeitig ihre Wiedergeburt als politische Partei proklamieren. Wo einst Bomben hochgingen, soll nun der Frieden gefeiert werden. Und wieder ist die Botschaft unzweideutig: Seht her, wir sind im Zentrum des Staates angekommen, als die Sieger der Geschichte!

Für den weiterhin einflussreichen Uribe und seine Anhänger ist das der größte anzunehmende Albtraum. Es wundert daher kaum, dass sie versuchten, die Farc-Party auf der Plaza de Bolívar zu verhindern, die Abschlusskundgebung eines einwöchigen Parteitages. Vergeblich. Auch die härtesten Gegner werden sich wohl daran gewöhnen müssen, dass die Farc (oder was davon übrig ist) künftig in der Mitte der Gesellschaft mitmischt.

Der Kongress von Bogotá hat bislang aber auch gezeigt, dass die Bewegung selbst noch mit ihrem neuen Dasein fremdelt. Der Weg vom Untergrundkämpfer zum Wahlkämpfer ist steinig. Für die Führungsriege um Rodrigo Londoño sind die ersten Trippelschritte in die Legalität deshalb auch eine Gratwanderung zwischen Traditionspflege und Radikalkur. Der eigenen Basis soll offenbar signalisiert werden: Wir bleiben auch als Politiker so revolutionär wie eh und je und werden niemals unsere Prinzipien verraten. Die meisten Reden von der Kanzel klangen bislang so, als seien sie aus den Tagebüchern von Fidel Castro abgeschrieben worden. Andererseits scheint Londoño darum bemüht zu sein, nach außen hin das Bild von einer ganz normalen, vielleicht sogar von einer modernen Linkspartei abzugeben. Wohl auch deshalb hat er seine gut 1200 Genossen in einem ziemlich konventionellen Kongresszentrum in Kolumbiens Hauptstadt versammelt.

Bis Freitag sollen ein Programm, ein Vorstand und ein neuer Name gefunden sein

Dort muss bis zum öffentlichen Abschlussfest am Freitag neben einem Parteiprogramm und einem Parteivorstand auch ein Parteiname gefunden werden. Wobei viele Genossen offenbar der Meinung sind, dass es an dem bewährten "Farc" wenig auszusetzen gibt. Die Abkürzung steht bisher für "Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia", und aus Sicht der Traditionalisten wäre es allemal modern genug, die "Fuerzas Armadas" (bewaffneten Kräfte) durch "Fuerzas Alternativas" (alternative Kräfte) zu ersetzen. Londoño, der gerade seine Liebe zur Basisdemokratie zu entdecken scheint, hat allerdings unter der Woche seine Twitter-Gefolgschaft über den Namen abstimmen lassen. Dabei setzte sich "Nueva Colombia" (Neues Kolumbien) durch. Diesen Vorschlag will der alte Chef, der wohl auch der neue Chef bleiben wird, nun in die Gremien einbringen.

Egal, wie die Partei am Ende heißen wird, und wie viele Kolumbianer sie mit ihrem Programm überzeugt, laut dem Friedensvertrag von Havanna wird sie bei den Wahlen 2018 auf jeden Fall etwas gewinnen. Je fünf Sitze in den beiden Kammern des Parlaments erhält sie automatisch. Zuletzt deutete einiges darauf hin, dass sie der Versuchung widerstehen wird, auch einen eigenen Präsidentschaftskandidaten ins Rennen zu schicken. Deutlich klüger wäre es wohl, einen Bewerber zu unterstützen, der uneingeschränkt für diesen Friedensvertrag eintritt - und trotzdem Chancen auf den Sieg hat. Amtsinhaber Juan Manuel Santos darf 2018 nicht mehr antreten. Sein Erzfeind Uribe aber schmiedet gerade ein großes Bündnis mit dem erklärten Ziel, den gesamten Friedensprozess nach der Wahl, soweit es geht, zurückzudrehen.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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