Kolumbien:Guerilla bereut ihre Taten

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Mehr als 20 000 Geiselnahmen werden den Farc zur Last gelegt. Ein Graffito in Bogotá weist darauf hin. (Foto: Juan Barreto/AFP)

Die Farc-Rebellen bitten Opfer von Entführungen um Vergebung. Für geständige Täter ist eine Amnestie vorgesehen, doch diese lehnen viele Menschen ab.

Von Christoph Gurk, München

In einem bisher beispiellosen Schritt hat die ehemalige kolumbianische Guerilla-Organisation Farc ihre Entführungsopfer um Vergebung gebeten. Die Geiselnahmen seien ein schwerer Fehler gewesen, erklärten mehrere ehemalige Führer in einem am Montag veröffentlichen Schreiben: "Wir können uns den tiefen Schmerz und die Qualen der Söhne und Töchter derer vorstellen, die von der Farc entführt wurden."

Über Jahrzehnte hinweg hatten die linksgerichteten "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (Farc) einen erbitterten Bürgerkrieg geführt gegen die Regierung und rechte Paramilitärs. Finanziert wurde der Kampf mit dem Anbau und Schmuggel von Drogen, aber auch durch Schutzgelderpressung und Entführungen. Mehr als 20 000 Geiselnahmen werden den Farc zur Last gelegt, darunter die Entführung der damaligen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, genauso wie die Verschleppung von Touristen, Studenten, Unternehmern oder Bauern. Ihre Opfer setzte die Gruppe zur Freipressung von Gefangenen ein, ebenso wie zur Durchsetzung politischer Ziele, oft aber auch einfach nur, um Lösegeld zu kassieren.

Ein Sondergericht ist mit der Aufarbeitung der Verbrechen beauftragt

In dem nun veröffentlichen Schreiben der Farc heißt es, die Geiselnahmen hätten nicht nur Verletzungen in der Seele der Betroffenen hinterlassen, sondern gleichzeitig auch die Glaubwürdigkeit und Legitimität der Guerilla beschädigt.

2016 hat Kolumbiens größte Rebellenorganisation nach Jahren zäher Verhandlungen einen Friedensvertrag mit der Regierung unterschrieben. Viele Kämpfer gaben ihre Waffen ab, und die Farc sitzen nun als politische Partei im kolumbianischen Parlament. Ein Sondergericht ist gleichzeitig mit der Aufarbeitung der Verbrechen beauftragt, die während des rund 50 Jahre dauernden Bürgerkriegs begangen worden sein sollen, darunter die Rekrutierung von Minderjährigen, erzwungene Abtreibungen, sexuelle Gewalt und die massenhaften Entführungen.

Trotz Friedensabkommen versinkt das Land erneut in Gewalt

Für geständige und reuige Täter ist eine weitreichende Amnestie vorgesehen. Viele Kolumbianer lehnen diese Straflosigkeit aber ab. Sie wollen, dass die ehemaligen Guerilleros und die Führung der Farc für ihre Verbrechen bestraft werden. Auf der anderen Seite haben längst nicht alle Kämpfer ihre Waffen abgegeben. Einige haben sich nach Angriffen durch vermutlich rechte Paramilitärs auch wieder in den Untergrund zurückgezogen, wo sie sich abermals vor allem durch Schutzgelderpressungen und Drogenhandel finanzieren und mit kriminellen Banden konkurrieren.

In den ehemals von den Farc kontrollierten Gebieten liefern sich nun bewaffnete Gruppierungen teils erbitterte Kämpfe um Schmuggelrouten und Anbaugebiete für Marihuana und Koka-Pflanzen. Vier Jahre nach Unterzeichnung des Friedensvertrags versinkt Kolumbien so abermals in einer Spirale der Gewalt: Knapp hundert Menschenrechtsaktivisten wurden dieses Jahr schon ermordet und das UN-Büro für Menschenrechte hat für 2020 knapp drei Dutzend Massaker registriert. Die Opfer sind dabei zunehmend Jugendliche.

© SZ vom 16.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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