Kolumbien:Frohe Botschaft mit Seltenheitswert

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Ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen hilft bei der Waffenübergabe durch die kolumbianische Farc-Guerilla in La Elvira in Kolumbien. (Foto: dpa)

Der Friedensprozess zwischen Regierung und Rebellen in dem Bürgerkriegsland erweist sich als erfolgreich. Doch das wird eine Ausnahme bleiben, wenn die Industriestaaten Länder wie Kolumbien nur als Rohstofflieferanten benutzen.

Kommentar von Sebastian Schoepp

Aus einem Teil der Welt, der sonst auf schlechte Nachrichten abonniert ist, kommt die gute Nachricht der Woche: In Kolumbien soll an diesem Dienstag der älteste kriegerische Konflikt des Kontinents zu Ende gehen. Insgesamt 7132 Waffen haben 6800 Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) in die Container der UN-Mission geworfen, die den Friedensprozess in dem südamerikanischen Land überwacht. Nach fünfzig Jahren Krieg ist der Weg zum Frieden frei.

Zu verdanken ist das der Hartnäckigkeit der verhandelnden Parteien: allen voran Präsident Juan Manuel Santos, der sich auch von einer Niederlage in einem Referendum nicht davon abbringen ließ, den Friedensprozess voranzutreiben, wofür er zu Recht den Friedensnobelpreis erhalten hat.

Aber auch die Farc-Kämpfer haben Erstaunliches gewagt, vor allem vor dem Hintergrund, dass ähnliche Prozesse in der Vergangenheit schon mal mit der Ermordung der entwaffneten Rebellen endeten. Dass die Farc dieses Risiko eingehen, zeigt, wie kampfesmüde sie sind.

Ähnlich wie bei der Eta in Spanien entstammen die Anführer einer Generation, die mit dem Marxismus als Versprechen aufwuchs. Erreicht haben sie nichts, die Jungen wollen nicht mehr in den Kampf für revolutionäre Ideale von gestern ziehen. Es sind eher Lockungen der Wohlstandsgesellschaft, die Hoffnung auf ein bürgerliches Leben nach kapitalistischem Muster, die sie aus dem Urwald treiben.

Die Aussöhnung mit den Rebellen gelingt, weil das Land boomt

Dass in Kolumbien möglich wurde, worauf die Menschen in anderen Kriegsgebieten noch warten, hat damit zu tun, dass es das Land geschafft hat, solche Perspektiven zu eröffnen. Kolumbien boomt abseits der Konfliktgebiete, es zeigt sogar Ansätze zu einer Produktivgesellschaft, die in Rohstoffländern sonst nur schwer zu etablieren ist.

Aber der Rohstoff, den Kolumbien liefert, ist eben ein besonderer, der besonders hohe Renditen abwirft. Es ist das weiße Pulver Kokain, Aufputschmittel in Börsentoiletten Londons oder Frankfurts, in Partyzonen und auf Parlamentsfluren der industrialisierten Welt.

Lateinamerikas Politiker haben immer wieder klargemacht, dass sie gegen Drogenhandel nichts ausrichten können, solange die Gewinne der Mafia so hoch sind. Sie fließen ohne Unterlass, und das Geld will investiert werden. Das hat Ländern wie Kolumbien oder Mexiko eine einzigartige Dualität beschert: Sie sind Krisengebiete und Wachstumsparadiese zugleich. Gewaschenes Drogengeld lässt medizinische Forschung und Hightech blühen.

Wer das skandalös findet, sei daran erinnert, dass auch der westliche Kapitalismus einen historischen Ursprung in kriminellen Aktivitäten wie britischen Kaperfahrten, spanischen Eroberungszügen oder dem nordamerikanischen Sklavenhandel hat. Zynisch könnte man sagen: Es kommt eben darauf an, was man daraus macht.

Der Konflikt in Kolumbien ist also keineswegs weit weg. Er ist so nah wie der nächste Drogendealer in Frankfurt oder München, und er ist so nah wie die Kriege in Irak, Sudan oder Libyen, bei denen es ja im Kern zumindest auch um Rohstoffe geht.

Wer will, dass sich daran etwas ändert, darf nicht nur Solidaritätsadressen auf Facebook posten, sondern muss auch westliche Konsumgewohnheiten hinterfragen. Denn was für Kokain gilt, gilt auch für Öl, Soja, Coltan, Bauxit, Palmöl und all die anderen Stoffe, die die Wohlstandswelt am Laufen halten.

Sie werden von den Industrieländern aus Gegenden bezogen, die das Weltwirtschaftssystem zu Rohstofflieferanten reduziert - ohne Chance auf Bildung eigener Wertschöpfungsketten oder Produktionssysteme und zum Vorteil konkurrierender, gewalttätiger und korrupter Eliten. Solange das so ist, wird es die Ausnahme bleiben, dass ein Land wie Kolumbien sich selbst aus der Misere befreit.

© SZ vom 27.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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